taz.de -- Atomkraft in Finnland: Wieder ein AKW-Bau verschoben
Finnland setzt noch auf Atomenergie, mit Russland als Partner. So richtig klappt das nicht – eine gute Nachricht für Anti-Atomkraft-Aktive.
Dass die finnische Fennovoima für ihre Pressemitteilung die arbeitsfreie Zeit zwischen den Jahren wählte, ist verständlich. Denn die Nachricht freute nur Atomkraftgegner: Der Bau von Finnlands neuestem Problemreaktor hat noch gar nicht begonnen und schon ist die Fertigstellung um mindestens vier Jahre verspätet.
Es handelt sich um das AKW Hanhikivi nahe dem nordwestfinnischen Ort Pyhäjoki. [1][Bauen soll es Russlands staatlicher Atomkonzern Rosatom]. Der finnische Bauherr Fennovoima, der mittlerweile zu einem Drittel Rosatom gehört, hatte 2010 die Genehmigung für diesen Bau erhalten und 2013 einen Liefervertrag über einen 1.200-MW-Reaktor abgeschlossen. Baubeginn sollte 2018, Inbetriebnahme 2024 sein.
Nun wird zwar allerlei gebaut am Ostseeufer bei Pyhäjoki, aber kein AKW. Die Pläne fehlen. Um den ursprünglichen Zeitplan einzuhalten, hätten sie der finnischen Atomaufsichtsbehörde Stuk im Juli 2018 vorliegen müssen. Zuletzt meldete die Behörde, bislang habe sie 10 Prozent der Unterlagen erhalten.
[2][Mit AKW-Neubauten hat Finnland bekanntlich keine guten Erfahrungen]. 2005 begann der Bau des Atomreaktors Olkiluoto 3. Er sollte 2010 ans Netz gehen. 14 Jahre nach Baubeginn ist er immer noch nicht fertig. Jetzt soll er ab Januar 2020 Strom liefern. 10 Jahre später und dreimal so teuer wie geplant. Wenn überhaupt.
Anti-Atom-Netzwerk hofft auf Windpark
Bei Hanhikivi sollte alles anderes werden. Deshalb setzte man auf die Routine des weltgrößten AKW-Bauers Rosatom und bewährte Technik. Der russische VVER 1.200 ist ein Druckwasserreaktor, wie er beispielsweise auch im finnischen AKW Loviisa seit 1977 bzw. 1981 im Betrieb sind. Ein Zwilling des in Hanhikivi projektierten Neubaus nahm im AKW Leningrad bei St. Petersburg am 6. Dezember 2018 den Betrieb auf.
Rosatom lieferte Kopien von dessen Bauunterlagen an die Stuk. Aber der Behörde reicht das nicht. „Man muss sich fragen, wie seriös Fennovoima ist“, sagt Hanna Halmeenpää, Reichstagsabgeordnete der finnischen Grünen: „Kopieren Pläne eines russischen Reaktors und glauben, den finnischen Behörden genügt das!“
Die finnischen Mitfinanziers des Projekts verfolgen die Verspätung mit Unruhe. Der ursprünglich mit 5 Milliarden Euro kalkulierte Reaktor soll inzwischen 6,5 bis 7 Milliarden Euro kosten. Der Maschinenbaukonzern Wärtsilä veröffentlichte kürzlich eine Studie, wonach Windenergie mindestens 27 Prozent billiger wäre als der Atomstrom eines AKW Hanhikivi. Das Anti-Atom-Netzwerk Atomkraftfreier Bottenwiek hofft noch auf einen Stopp des Projekts: Der jetzt vorbereitete Bauplatz sei doch [3][perfekt für einen Windpark].
2 Jan 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das geplante Atomkraftwerk Hanhikivi könnte vor dem Aus stehen. Es ist unklar, ob es überhaupt Bedarf für den Strom der Anlage geben wird.
Finnland setzt jetzt auf Kleinreaktoren, die die Baukosten deutlich senken sollen. Sie bringen allerdings ähnliche Probleme mit sich wie große AKWs.
Laut Koalitionsvertrag soll der Bund Beteiligungen seiner Pensionsfonds an AKW-Betreibern abstoßen. Bisher passiert das Gegenteil.
Kabinett beschließt Errichtung des sechsten Reaktors. Grüne verlassen aus Protest die Regierung. Zwei Drittel der Bevölkerung gegen Deal mit Moskau.
Warum nur ein AKW bauen, wenn man auch noch das Endlager haben kann? Ein Besuch in der „elektrischen Gemeinde“ Eurajoki in Finnland.
Sechs Firmen steigen wegen mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz aus einem Projekt des Energiekonzerns Eon aus. Kritiker glauben, dass es an den hohen Kosten liegt.