taz.de -- Eine Hotline für verängstigte Weiße: Keine Gefahr, aber Rassismus
Weiße in Amerika rufen oft die Polizei, um Schwarze zu melden, die nichts verbrochen haben. Für sie hat die „New York Times“ eine Hotline eingerichtet.
Berlin taz | April 2018, Oakland, USA: Drei Männer [1][grillen im Park]. Juni 2018, Orange Village: Studentinnen [2][zahlen ihre Rechnung] in einem Restaurant. August 2018, Brooklyn: Eine Frau will sich vor Regen schützen und [3][steht in einem Hauseingang]. Alles drei, so sollte man meinen, alltägliche und nachvollziehbare Handlungen. Und doch wurde in allen drei Situationen die Polizei gerufen. Denn bei den Personen handelte es sich um Nicht-Weiße, um People of Color (PoC). Gerufen wurde die Polizei von weißen Menschen, die erstere aufgrund ihrer Hautfarbe für verdächtig hielten.
Damit Weiße nicht mehr die Polizei rufen müssen, um PoC zu melden, die ihren Alltag verrichten, hat die New York Times eine Hotline für Notrufe der oben beschriebenen Art eingerichtet: 1-844-WYT-FEAR. Beworben wird sie [4][mit einem Video] in Form einer satirischen Teleshopping-Sendung, die anmutet, als sei sie aus den Neunzigern. „Ich möchte Ihnen ein brandneues Produkt vorstellen“, sagt Schauspielerin Niecy Nash darin, „das Ihnen all die Sorgen nehmen wird, gefilmt und als rassistischer Depp geoutet zu werden.“
Denn dass Weiße die Polizei rufen und Schwarze beim Erledigen ihres Alltags melden, ist keine Seltenheit. Von 39 Fällen aus dem Jahr 2018 [5][berichtet die New York Times]. Durch rassistische Vorurteile geschürte Ängste liegen so tief in der Gesellschaft, dass Unschuldige durch ihre Mitbürger:innen vorverurteilt werden, schwarze Opfer von Polizeigewalt, dabei oft sogar erschossen werden. Was bedeutet: Wer die Nummer wählt, ist selbst vielleicht nicht in Gefahr – gefährdet aber die zu Unrecht gemeldete Person.
Es ist ebenfalls keine Seltenheit, dass die Situationen gefilmt und in Online-Netzwerken verbreitet werden. So machte zum Beispiel [6][das Video] von einer jetzt als „Permit Patty“ bekannten Frau die Runde, die die Polizeidurchwahl 911 wählte, weil ein schwarzes Mädchen am Straßenrand Wasser verkaufte. Oder das eines Mannes, der die Polizei [7][wegen eines verdächtigen Coupons] rief. Das Internet nennt ihn „Coupon Carl“.
Was aber passiert, wenn man diese Nummer anruft? „Wir sind hier, um Ihre dringenden Bedürfnisse über schwarze oder braune Menschen, die neben Ihnen Ihr Leben leben, anzunehmen“, sagt eine Stimme. Darauf folgen einige Wahlmöglichkeiten: Handelt es sich bei der Gefahr um ein Wasser verkaufendes Kind? Oder eine Person, die auf ihre Begleitung wartet?
Egal, was die oder der Anrufende wählt, am Ende lernt er oder sie: „Durch deine Antwort konnten wir feststellen, dass du dich nicht wirklich in Gefahr befindest, sondern wahrscheinlich nur ein Rassist bist.“ Gefolgt von dem Ratschlag, das Handy einfach wegzulegen und mit dem Alltag weiterzumachen – ohne die Polizei zu rufen.
25 Oct 2018
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