taz.de -- Gesetzesplan in USA: Trump will Transgender wegdefinieren

Die US-Regierung plant, Transmenschen wieder aus den Bundesgesetzen der USA zu löschen – vor den Wahlen eine taktische Gefahr für die Demokraten.
Bild: Stolz auf der Straße: Die Gay-Pride 2018 in New York

BERLIN taz | Diese Linksliberalen! Außer identitätspolitischem Shishi-Kram haben sie nichts zu bieten, abgehoben übergehen sie die wirklichen Probleme der einfachen Menschen, deren Angst vor sozialem Abstieg, ihre Sorge vor dem Verlust des eigenen Lebensmodells. Stattdessen: immer nur Minderheitenrechte, politisch korrekte Sprache, Toiletten für trans Menschen. Diesen Diskurs konnte man tausendfach lesen und hören, nachdem Donald Trump im November 2016 zum US-Präsidenten gewählt worden war.

Dabei scheint die Wirklichkeit gerade andersherum zu sein: Die Obsession von Trumps Republikanern damit, Minderheiten ihre Rechte zu verweigern, scheint insgesamt wesentlich ausgeprägter als die der Demokraten, solche zu schaffen. Neuestes Beispiel: Am Wochenende veröffentlichte die New York Times den Inhalt eines Memos aus dem Trump’schen Gesundheitsministerium. Daraus geht hervor, dass die Regierung plant, die rund 1,4 Millionen trans Menschen in den USA per Gesetz wieder wegzudefinieren.

Konkret heißt es in dem Memo: „Das Geschlecht, das auf der Geburtsurkunde eingetragen ist, soll der letztgültige Beweis für das Geschlecht einer Person sein, es sei denn, dies würde durch verlässliche genetische Informationen widerlegt.“ Im Klartext: Mit Penis heißt Mann, mit Vulva heißt Frau, und das ein Leben lang. Viele Jahre der Erfahrungen, der wissenschaftlichen Forschung zum Thema Geschlechteridentitäten und des Kampfes um Anerkennung und Freiheit von Diskriminierung für Transgender sollen also durch ein Bundesgesetz ausgelöscht werden.

Es ist die weitreichendste, aber beileibe nicht die erste Maßnahme der Trump-Regierung gegen die Gleichstellung von Transgender und aller Menschen, die sich nicht einem Geschlecht zuordnen wollen und können. Das ging mit Twitter-Mitteilungen des Präsidenten los, [1][Transgender dürften zukünftig nicht mehr im US-Militär dienen], bis hin zur Anerkennung religiöser Freiheitsrechte für Menschen, die Angehörigen der LGBTIQ*-Community etwa in Restaurants nicht bedienen wollen. Aber wenn sich dann nicht nur die Betroffenenorganisationen, sondern auch demokratische Politiker*innen empört äußern und zur Verteidigung der Gleichstellungsrechte trommeln … diese Linksliberalen!

Wahltaktisch perfide

Wie genau das geleakte Memo an die New York Times gekommen ist, ist nicht bekannt. Sicher ist aber: Bis zu den Kongress- und Gouverneurswahlen, den sogenannten Midterm Elections zur Hälfte einer präsidentiellen Amtszeit, sind es nur noch zwei Wochen. Und genau zu diesem Zeitpunkt die Demokraten per Memo-Leak wieder auf eines der Themen zu stoßen, die sich in diesem Wahlkampf eher klein fahren, könnte ein nahezu perfider Trick sein.

Es ist ein bisschen wie in Deutschland: Auch hier thematisieren die Konservativen und Reaktionären von CSU bis AfD fast ausschließlich das Thema Flüchtlinge, um anschließend die Gegenseite anklagen zu können, sie kümmere sich ja gar nicht um die Sorgen der deutschen Bevölkerung.

Das Blöde ist: Man kommt aus dieser Falle kaum heraus. Natürlich müssen die Demokraten in den USA jetzt für Transgender-Rechte aufstehen, wenn die sozialen Netzwerke nur Stunden nach der New-York-Times-Veröffentlichung voll sind mit empörten Stellungnahmen von LGBTIQ*-Organisationen, Schauspieler_innen, Künstler_innen und sonstigen Prominenten bis hin zur bekannten Whistleblowerin Chelsea Manning, die im Knast ihre Transition zur Frau begann. Damit haben [2][Trumps Leute die Demokraten] wieder genau da, wo sie sie haben wollen: Minderheitenrechte! Gendertoiletten! Habt ihr echt nichts Wichtigeres?

Das ist nicht nur wahltaktisch perfide. Denn die Effekte solcher Brachialstrategien bekommen letztlich dann eben doch die zu spüren, um die es geht. Selbst wenn etwa das angekündigte Verbot für Transgender, im Militär zu dienen, letztlich von Gerichten gekippt wird, dürfte die kameradschaftliche Aufnahme dort nicht einfacher werden. Gleichstellungsprogramme an Schulen werden schwieriger umzusetzen, wenn die US-Regierung lautstark kundtut, dass es sie gar nicht geben dürfte. Alles Probleme, die überhaupt nicht sein müssten, selbst gemacht von verblendeten konservativen Ideologen.

Aber es ist natürlich klar, wer die gesellschaftliche Realität verkennt und Schuld daran trägt, dass sich das politische System nicht um die wahren Probleme kümmert: diese Linksliberalen!

22 Oct 2018

LINKS

[1] /US-Gericht-gegen-Trans-Verbot/!5465796
[2] /Kolumne-Die-eine-Frage/!5527746

AUTOREN

Bernd Pickert

TAGS

Trans-Community
Trans
Transgender
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Trans-Community
Chelsea Manning
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
taz.gazete
Schwerpunkt Femizide
Sexualität
Lesestück Recherche und Reportage

ARTIKEL ZUM THEMA

Gesundheitswesen in den USA: Trump kippt Schutz von trans Personen

Die US-Regierung hat eine Regelung aus Barack Obamas Gesundheitsreform gestrichen. Trans VertreterInnen sprechen von einer „verachtenswerten Entscheidung“.

Jenseits der Geschlechtergrenzen: Odyssee zu sich selbst

Aline de Oliveira hat so lange versucht, als Mann zu leben, bis sie nicht mehr weiter konnte. Doch je weiblicher sie wurde, desto größer war die Ablehnung.

Verfahren gegen Wikileaks in den USA: Chelsea Manning hinter Gittern

Die Whistleblowerin weigert sich, vor Gericht auszusagen. Deshalb wurde sie am Freitag auf unbestimmte Zeit in Haft genommen.

Neues Trans*-Gesetz in Uruguay: Eintrag? Frei

Uruguayer*innen dürfen jetzt unbürokratisch ihren Geschlechtseintrag ändern. Damit hat das Land eines der liberalsten Trans*-Gesetze der Welt.

Die AKP und LGBTI: Trans Konservativ

Eine Mehrheit der türkischen Transgender-Community neigt der Regierungspartei AKP zu. Unsere Autorin macht sich auf die Suche nach einer Erklärung

Urteil in Argentinien: Lebenslang für Mord an trans Frau

Die argentinische Transgender-Aktivistin Diana Sacayán wurde im Oktober 2015 brutal ermordet. Der Täter wurde jetzt verurteilt.

Bundesvereinigung Trans* über WHO: „Die Entscheidung ist ein Meilenstein“

Die Weltgesundheitsorganisation streicht Transsexualität von der Krankheitsliste. Das reicht noch nicht, findet BV-Trans*-Vorstand Wiebke Fuchs.

Transsexualität und Politik: Die AfD-Wählerin

Beate G. ist transsexuell, mit einer Muslimin verheiratet, und sie wählt die AfD. Die Geschichte einer Frau auf der Suche.