taz.de -- Die Wahrheit: Der --glückspilz

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Diesmal darf sich die Leserschaft an einem Poem über ein gekapptes Schwammerl erfreuen.

Im Wald stand Baum um Baum,

als würd’s die gratis geben,

und an der Bäume Saum,

da durft ein Pilzchen leben.

Auf Wurzeln wuchs es schief,

verflocht tief seine Fäden.

Ganz traurig, depressiv,

so hörte man es reden:

„Wie qualvoll, öd und hart

verdien ich meine Sporen.

Kein Leid bleibt mir erspart,

bin einsam, hohl, verloren.

Drum wissen Fuchs und Specht,

ja alle, die mich kennen:

Man darf mit Fug und Recht

den Unglückspilz mich nennen.“

Doch wie’s der Zufall will

durchwanderte den tristen

Wald ganz leis und still

ne Gruppe Germanisten.

Die war’n auf Silbensuch

und sammelten Phoneme

fürn neues Wörterbuch

moderner Sprachprobleme.

Sie gruben immerfort

mit Schaufeln und mit Spaten

nach gänzlich neuen Wort-

und selt’nen Silbenarten.

Ein Ingenieur darf dann

daraus was konstruieren.

Der Germanist, der kann

darüber publizieren.

„Pogakiwockafun“ –

so sollt das Neuwort heißen,

doch fehlte noch ein „un“,

um fertig es zu schweißen.

Als man in Baumes Näh

den Unglückspilz entdeckte,

da jauchzte man: „Juchhe!“,

weil dort ein „un“ drin steckte.

Sie trennten mit nem Hieb

das „un“ von seinen Kanten.

Das was vom Pilzchen blieb,

sie schlicht den „--glückspilz“ nannten.

Seit man das „un“ ihm stahl,

konnt freudig er frohlocken:

„Ich bin – ganz ohne Qual –

vor Glück echt von den Socken.“

Doch dann, von St--d zu St--d,

da deuchte ihm: „Im Gr--de

komm ich n-- zum Bef--d,

dass ohne -- im M--de

die K--d --klar wird

--d stürzt in d--kle Schl--de,

--d --verständnis stiert

pf--dschwer aus dieser W--de.

Denn Komm--ikation

kann so nicht f--ktionieren.

Zurück bleibt schweigend Hohn

bei Pflanzen wie bei Tieren.

Egal wie k--terb--t

die Welt kurz schien für mich.

So läuft’s doch auch nicht r--d!

Das macht mich --glücklich.“

25 Oct 2018

AUTOREN

Jürgen Miedl

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