taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Feiern, bis die Nazis kommen

Drei Tage lang wird ab Montag die Wiedervereinigung gefeiert; auch von Nazis, die am Mittwoch marschieren wollen.
Bild: Der Regierende ist Gastgeber der dreitägigen Party rund ums Brandenburger Tor

Böse Zungen behaupten ja, dass der Tag der Deutschen Einheit nur dann ein Anlass zum Feiern ist, wenn er so geschickt liegt, dass man daraus, ohne viele Urlaubstage zu verballern, einen Kurztrip machen und im besten Fall Deutschland entfliehen kann. Das ist dieses Jahr definitiv nicht der Fall: Der 3. Oktober ist ein Mittwoch. Schlimmer geht’s nimmer.

Andererseits stellt Berlin seit vergangenem Herbst den Bundesratspräsidenten, und neben ein paar netten Auslandstrips des Regierenden Bürgermeisters (demnächst nach Australien, weiter weg von Deutschland geht kaum) beschert das der Stadt das Vergnügen, die zentralen deutschen Feierlichkeiten aus Anlass der Wiedervereinigung auszurichten. Seit vielen Monaten schon beschäftigt sich der stellvertretende Senatssprecher Julian Mieth mit deren Organisation. Bereits ab Montag wird man sehen, ob es sich gelohnt hat.

Denn gefeiert wird gleich drei Tage, schließlich gilt auch hier das seit den Hochtagen der Loveparade gültige Berliner Mega-Super-Openair-Riesenevent-Gesetz: Es kommen immer eine Million Besucher, sei es Silvester, Marathon, CSD etc. Da aber inzwischen jedem klar ist, dass diese Zahl bei eintägigen Partys nicht realistisch ist, macht es Sinn, einfach die Feierzeit zu verlängern. Passt ja auch prima zu Berlin (Touristenlockmotto 365/24).

Auf der üblichen Brat- und Ausschankmeile – der Straße des 17. Juni ausgehend vom Brandenburger Tor – sowie auf der Reichstagswiese und im Tiergarten gibt es vom 1. bis 3. Oktober politische Infos (wie war das eigentlich in den vergangenen 28 Jahren?), Spiele, Kultur (etwa eine Uraufführung des Gorki Theaters und ein Konzert unter anderem mit Nena und Samy Deluxe), dazu natürlich Essen und Trinken. Viele Berliner Vereine, Initiativen und Institutionen dürfen sich und ihre Arbeit vorstellen. Das Ganze läuft unter dem Hashtag #nurmiteuch und ist natürlich die „größte Party des Jahres“.

Rucksäcke zu Hause lassen

Allerdings nur für jene, die mit den strengen Sicherheitsvorkehrungen, etwa bei Open-Air-Konzerten vertraut sind. Denn Rucksäcke, die größer als DIN A4 sind, dürfen nicht mit aufs Festgelände genommen werden, Schließfächer oder andere Depotmöglichkeiten werden nicht angeboten. Geöffnet ist Montag ab 14 Uhr, Dienstag und Mittwoch ab 11 Uhr und dann jeweils bis Mitternacht.

Wer mit dem wiedervereinigten Deutschland nicht einverstanden ist, aber am 3. Oktober nicht fliehen kann, darf in den Mauerpark gehen: Dort findet ab 17.30 Uhr ein Konzert unter dem Motto „No Nation! – Seebrücken statt Seehofer“ statt. Und sogar für jene, die aktiv etwas gegen alte und neue Nazis tun wollen, bietet dieser Feiertag einige Möglichkeiten. Ab 14 Uhr mobilisiert die Gruppe „Wir für Deutschland“ sogenannte Patrioten an den Hauptbahnhof. Um den Aufzug zu verhindern, sind reichlich Gegenkundgebungen angemeldet. Die genauen Routen sind noch unklar.

Auch der Islam gehört bekanntlich zu Deutschland, und wie immer an diesem Tag öffnen zahlreiche Moscheen ihre Türen. Wer also etwas weniger Trubel vorzieht: Ein Moscheebesuch kann fast schon so was sein wie ein Kurztrip in eine für manche noch sehr unbekannte Re(li)gion.

1 Oct 2018

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Bert Schulz

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