taz.de -- Alternative Stadtentwicklung in Berlin: Die Statistik aufbessern

Wohnungen, Verwaltung, Kultur: Ab jetzt wird mit den Berlinern breit diskutiert, was aus dem Haus der Statistik am Alexanderplatz werden soll.
Bild: Keine Fenster, aber toller Ausblick: das Haus der Statistik am Alexanderplatz

Stop Wars“ steht in verblasster roter Schrift an der Fassade des einstigen Hauses der Statistik; „on migration“ hat vor Kurzem jemand leuchtend orange dazugepinselt. Die Fenster in dem Plattenbau am Rand des Alexanderplatzes sind seit Jahren ausgebaut, den Zugang zum Gebäude verhindern Gitter. Fortan sollen von dem DDR-Verwaltungsgebäude, das seit 2008 leer steht, neue, durchweg frohe Botschaften ausgehen: Hier wird erprobt, wie „alternative und kooperative Stadtentwicklung“ funktionieren kann, kündigte Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) am Freitag an.

Der Bezirk, das Land, die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) und die Initiative ZUsammenKUNFT Berlin wollen gemeinsam mit Bürgern die künftige Nutzung der vier vorhandenen Gebäudeteile und einiger geplanter Neubauten aushandeln. Am Freitag wurde dafür die „Werkstatt Haus der Statistik“ eröffnet. In dem ehemaligen Fahrradladen direkt am Fuß des Plattenbaus soll in den nächsten vier Monaten diskutiert, verhandelt, gefeiert oder auch einfach nur Kaffee getrunken werden – fürs Publikum geöffnet ist der Raum an vier Tagen pro Woche. Bereits im Januar wollen die fünf Partner so weit sein, dass die Vorarbeiten für einen Bebauungsplan beginnen können.

Wie das Ergebnis aussehen wird, ist weitgehend offen. „Wir wissen auch nicht, wie das geht“, sagte Christian Schöningh von der Initiative. Er habe „keine Vorgaben, weder im Kopf noch auf dem Papier“. Man setze voll auf Kooperation und öffentliche Verhandlung. Und da die fünf ungleichen Partner bereits seit einem halben Jahr gut zusammenarbeiten, gibt sich Schöningh optimistisch.

Zu gewissen Teilen ist auch absehbar, was aus dem 32.000 Quadratmeter großen Areal wird, das das Land vor einem Jahr nach langem Ringen dem Bund abkaufen konnte: eine Mischung aus (größtenteils) Büroflächen, Wohnen und einem Bereich für die Kreativbranche. Mindestens 300 Wohnungen will die WBM neu bauen; auch für das Rathaus Mitte, dessen Mietvertrag 2027 ausläuft, soll ein Neubau entstehen. Die landeseigene BIM wiederum möchte gerne in einem bestehenden Gebäude ihre Verwaltung unterbringen, auch für Obdachlose soll es eine Anlaufstelle geben, kündigte Gothe an.

Das Gebäude mit der „Stop Wars“-Aufschrift will vor allem die Initiative entwickeln: Kunst und Kultur sollen dort unter anderem ihren Platz finden. Schließlich soll das Quartier, einst als „Insel gegen Gentrifizierung“ beschrieben, in die angrenzenden Kieze und die Konsummeile am Alexanderplatz hineinwirken. Insgesamt stehen für die Sanierung und den Umbau der vier vorhandenen Bauten rund 100 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt zur Verfügung.

Damit das Projekt „Modellcharakter“ (Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher) bekommt, sollen die Kategorien aufgebrochen werden: Wie etwa die Wohnungen aussehen, sei völlig offen. Die Initiative denkt über Atelierwohnungen nach, vielleicht soll es Wohnungen für Rathausmitarbeiter geben. Nachbarn und Interessierte sollen sich an der Werkstatt beteiligen. Bürgerdelegierter kann jeder werden; ab Oktober wird über das Projekt verhandelt. Zwei Leute werden zudem noch für die 14-köpfige Jury gesucht, die den Prozess begleitet. Bewerben kann man sich mit einem Satz darüber, was einen zum Mitmachen motiviert.

7 Sep 2018

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Bert Schulz

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