taz.de -- Großprojekt am Haus der Statistik: Die neuen Nachbarn am Alex
Bald entscheidet sich, wie Berlins Mitte in Zukunft aussehen soll. Zwei Entwürfe sind im Rennen und die Bürgerinnen und Bürger reden mit.
Berlin taz | Die Nachbarn haben sich schon zu Wort gemeldet: „Sie haben sicher schon gehört, dass das an unser Wohngebiet angrenzende Haus der Statistik neu bebaut werden soll“, schreibt ein Anwohner in einem Flugblatt – und fordert die Bewohnerinnen und Bewohner in der Mollstraße und der Berolinastraße auf, sich einzumischen. Seine Forderung: „Weniger Baumasse“ und „Anlieferung über die Hauptverkehrsstraßen“.
Noch bis zum 15. Februar läuft die frühzeitige Bürgerbeteiligung für den „Bebauungsplan 1-105, ehemaliges Haus der Statistik“, und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun nicht nur Bauherren wie der Bezirk, das Land Berlin oder eine seiner Wohnungsbaugesellschaften Adressaten von Anwohnerprotesten sind, sondern auch Initiativen aus der Stadtgesellschaft, die das Megaprojekt nördlich des Alexanderplatzes erst angestoßen haben.
Doch auch ein Bauvorhaben, bei dem Initiativen von unten beteiligt sind, ist ein Bauvorhaben, das Nachbarn beeinträchtigen kann. Erst recht, wenn es neben der Sanierung von 46.000 Quadratmetern Bestandsfläche um den Neubau von weiteren 70.000 Quadratmetern Nutzfläche geht.
Wie die Neubauten am Ende aussehen werden, ist allerdings noch nicht entschieden. Bei einer Sitzung des sogenannten Obergutachtergremiums im Januar konnten sich die Jurorinnen und Juroren, darunter Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, noch nicht auf einen von drei Wettbewerbsentwürfen einigen. Stattdessen sind nun noch zwei Entwürfe im Rennen. Der des Planungsteams „COBE Berlin Studio Sörensen“ sieht gleich hinter dem Kopfbau des Statistikgebäudes an der Karl-Marx-Allee den Beginn einer lang gezogenen Freifläche vor. Der Entwurf von „Teleinternetcafe Treibhaus“ verzichtet dagegen auf zusammenhängende Freiräume im Innenhof und schlägt zwei höhere Wohnblöcke an der Berolinastraße vor.
Unstrittig ist dagegen die Nutzung auf dem Areal, das nach Ansicht des Baustadtrats von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), schon 2026 fertig sein könnte. Der Bezirk bekommt ein neues, modernes Rathaus, weil er aus dem gemieteten an der Karl-Marx-Allee ausziehen muss. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) baut 300 landeseigene Wohnungen. Dazu gibt es Flächen für Künstler sowie weitere soziale und kulturelle Einrichtungen.
Insgesamt beläuft sich der Flächenmix im 1970 fertiggestellten und seit zehn Jahren leer stehenden Altbau an der Karl-Marx-Allee und der Otto-Braunstraße auf 80 Prozent für Verwaltung und 20 Prozent für die Initiative. In den Neubauten bekommt die Initiative 40 Prozent, 60 Prozent sind für Behörden vorgesehen. Ungewöhnlich ist aber nicht nur das Nebeneinander von öffentlichem Dienst, wohnen und werkeln, sondern auch der Mix von Akteuren, die sich zur „Koop5“ zusammengeschlossen. Diese „fünf“, das sind die WBM, der Bezirk Mitte, das Land Berlin, die Berliner Immobilienmanagement BIM sowie die Initiative Haus der Statistik, die sich in der Genossenschaft ZUsammenKUNFT zusammengeschlossen hat.
Rathaus mit Duschen
„Das Problem mit der Erschließung ist mir bewusst“, sagt Fred Schwarzer. Er ist im Stadtplanungsamt Mitte zuständig für den Bebauungsplan am Haus der Statistik. Die beiden verbliebenen Entwürfe liegen seit dem 16. Januar in seinem Büro in der Müllerstraße im Wedding aus. „Allzu groß ist der Andrang aber nicht“, sagt der Stadtplaner. „Kommentare und Anmerkungen können im Rahmen der Bürgerbeteiligung auch im Netz abgegeben werden.“ Eine Woche nach dem Abschluss der Beteiligung kommt am 22. Februar dann wieder das Obergutachtergremium zusammen, erklärt Schwarzer das weitere Verfahren. „Das Votum geht dann ans Bezirksamt. Wir hoffen, dann im kommenden Jahr den Bebauungsplan der BVV vorlegen zu können.“
Eine ganz andere Form der Bürgerbeteiligung findet im Pavillon an der Karl-Marx-Straße statt, in der die Genossenschaft ZUsammenKUNFT eine „Werkstatt“ eingerichtet hat. In der sind die beiden verbliebenen Entwürfe auch als Modelle ausgestellt. „Die Leute, die hier reinkommen, wollen nicht nur wissen, was im Haus der Statistik künftig alles passiert“, sagt Nina Peters von der Genossenschaft. „Es interessiert sie auch, wie das aussieht, die Ästhetik spielt eine große Rolle.“
In ihrer Werkstatt hat die Genossenschaft auch zusammengetragen, was sich die Anwohnerinnen und Anwohner von den neuen Nachbarn alles wünschen. „Ein Restaurant auf dem Dach des Rathauses gehört für viele dazu“, sagt Peters. An einer Pinnwand hängen weitere Wünsche, die das Rathaus betreffen. Offen soll es sein, möglichst lange zugänglich und auch, wie auf einer Karteikarte steht, „vogelfreundlich“.
Mittes Baustadtrat Gothe hatte zuvor bereits angekündigt, das neue Rathaus werde auch neue Standards setzen. Geplant sind eine Kita, Fahrradkeller, Duschen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem Rad zur Arbeit kommen. Von einer „zeitgemäßen Lösung“ spricht Gothe. Und einer erstaunlichen Kreativität, die die Zusammenarbeit von öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren hervorgebracht hätte. „So etwas hätte eine Verwaltung niemals hinbekommen.“
8 Feb 2019
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