taz.de -- Kommentar Kroos' Kritik an Özil: Alles andere als kroosartig
Nationalspieler Toni Kroos äußert sich abschätzig über Mesut Özils Rücktritt aus der DFB-Elf. Doch diese Kritik ist undifferenziert und unangebracht.
Er ist einer der beliebtesten Spieler bei den Fans und womöglich der derzeitig beste deutsche Nationalspieler. Toni Kroos ist in seiner Karriere bisher so wenig wie kaum ein anderer Fußballer kritisiert worden. Regelmäßig lässt er sich in den letzten Monaten zudem in Klaas Heufer-Umlaufs Sendung Late Night Berlin blicken und feixt mit dem Moderator herum. So weit, so heiter. Doch nun übt der Spieler [1][heftige Kritik an Mesut Özils Abschied] aus der Nationalmannschaft – instrumentalisiert, wie so häufig, von der Bild.
Um es vorweg klarzustellen: Es lässt sich rund um Özils Foto mit dem türkischem Präsidenten Erdogan und seinen anschließenden Rücktritts-Posts [2][genug kritisieren]. Und zwar berechtigterweise. Doch das muss auf inhaltlicher Ebene, und wenigstens halbwegs differenziert geschehen. Die Aussagen Toni Kroos' im Interview mit der SportBild sind jedoch pauschalisierend, noch dazu spöttisch vorgetragen.
Kroos behauptet, in Özils Rücktrittserklärung werde ein Anteil an gut und richtig angesprochenen Dingen „durch den wesentlich höheren Anteil an Quatsch überschattet.“ Was genau ist denn an der über 2.000 Wörter umfassenden Erklärung „Quatsch“?
Özil wisse selbst, „dass es Rassismus innerhalb der Nationalmannschaft und des DFB nicht gibt“, so Kroos. Stattdessen werde sich aktiv für Integration und Vielfalt eingesetzt. Letzteres mag für die Mannschaft stimmen. Doch wie will ein Spieler überblicken, was im gesamten DFB-Apparat abgeht? Zumal Özils Rassismus-Vorwurf vor allem auf bilateralen Gesprächen mit DFB-Präsident Reinhard Grindel fußt. Mit Grindel, einem ehemalig Angehörigen des rechten Flügels der CDU, der 2004 im Bundestag sagte: „Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmuddel. Es ist eine Lebenslüge.“
Wie kann sich Kroos ein Urteil über die Präsenz von Rassismus anmaßen, in einer Institution, die er nur aus einer Perspektive kennt? Zudem kennt er sich als blonder, weißer Mann sicher weniger mit Rassismus aus als ein Deutscher mit türkischen Wurzeln – wie Özil es ist. Doch Kroos setzt mit seinen Aussagen noch einen drauf. Er sagt nicht etwa: „Es gibt keinen Rassismus beim DFB.“ Nein, er behauptet stattdessen, Özil wisse selber, dass es so wäre. Damit bezichtigt er ihn der Lüge. Ist das die Reaktion, die wir in Deutschland Menschen entgegenbringen, die sich rassistisch behandelt fühlen?
Dass gerade die Bild Gefallen an solchen Aussagen haben dürfte, liegt auf der Hand. So hat sie nach Özils Rücktrittserklärung in zahlreichen Kommentaren betont, es wäre „idiotisch, wenn jetzt eine Rassismus-Debatte entsteht“ oder man dürfe sich nicht einreden lassen, „dass wir rassistisch sind“. Stattdessen wurde es als [3][„verlogen“ und „erbärmlich“] denunziert, auf Özils Rassismus-Vorwürfe „hereinzufallen“. Insofern verwundert es kaum, dass eine solche Haltung in Deutschlands größtem Boulevard-Blatt zu finden ist. Was jedoch verwundert, ist dass sie von Toni Kroos ausgeht.
16 Aug 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Manfred Oldenburgs Doku „Kroos“ erkundet, warum der Weltfußballer für Experten so faszinierend ist. Die Kontrolle behält der Protagonist.
Der Begriff „Die Mannschaft“ könnte abgeschafft, Oliver Bierhoff soll entlastet werden. Das kündigt DFB-Chef Grindel an. Und zu Özil äußert er sich auch noch.
Krisenmanagement in seiner schlechtesten Form: Warum der Fall Özil eskalierte und welche Schuld der Fußballprofi daran trägt.
Einer der wichtigsten DFB-Nationalspieler tritt zurück: Mesut Özil will den deutschen Rassismus nicht mehr ertragen.
Mesut Özil verlässt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Er wirft Verbandschef Reihard Grindel und der DFB-Führung Rassismus vor.