taz.de -- Actionkomödie „Bad Spies“: Blutspur durch Europa

Die Actionkomödie „Bad Spies“ schickt zwei US-Laienagentinnen auf Europamission – Culture Clash und #MeToo-Bewusstsein inklusive.
Bild: Wie Twens im Interrail-Rausch: Mila Kunis und Kate McKinnon in „Bad Spies“

„Willst du sterben, bevor du je in Europa gewesen bist?!“ Wer will das schon. Vor allem, wenn das mit dem Sterben schnell konkret werden könnte: Audrey (Mila Kunis) und Morgan (Kate McKinnon) sind auf der Flucht vor ein paar entschlossenen Irren mit Pistolen.

Denn Audreys Exfreund Drew (Justin Theroux) war, wie die junge Biomarktangestellte zufällig erfährt, ein Spion. Und weil Audrey und Morgan seinen gewaltsamen Tod mitansahen, und dabei einen USB-Stick mit „Geheiminformationen“ zugesteckt bekamen, führt ihr Weg sie Richtung Übersee – dort soll Audrey ihn einer Kontaktperson übergeben. Aber der Plot ist eigentlich egal. Denn „Bad Spies“ ist qua Definition eine „Actionkomödie“, bei der nicht Plausibilität und Spannung der Handlung, sondern Gags zählen.

Die Idee, ganz normale Menschen, chaotische Frauen gar, deren physische Schlagkraft begrenzt ist, in das Fadenkreuz internationaler Geheimdienste zu setzen, ist nicht neu – Paul Feig hatte vor ein paar Jahren Melissa McCarthy in der „Spy – Susan Cooper Undercover“-Reihe ins Geschehen geworfen, und auch Maxwell Smart in „Get Smart“ aus dem Jahr 2008 wird trotz ausgewachsener Trotteligkeit in den Feldeinsatz befördert.

„Bad Spies“-Regisseurin Susanna Fogel, die ein Drehbuch des erprobten Serien- und „Saturday Night Live“-Autors David Iserson verfilmt hat, setzt darum auf die Komödienkraft ihrer Protagonistinnen: Fast jeder Wortwechsel zwischen Kunis und der in den USA enorm erfolgreichen „Saturday Night Live“-Komikerin McKinnon ist als separate Gagnummer konzipiert. Etwa, wenn die beiden schnell die Expertise eines Codeknackers brauchen und Morgan ihr Ex-Date „Eddie Snowden“ anruft. „Keiner weiß, dass er auf Ska steht“, lässt Morgan fallen, und ein Snowden-Double steht später am Telefon vor einer nebligen Roter-Platz-Kulisse.

Berliner Techno-Abbruchhaus

Moskau ist (bis auf einen nachgesetzten Showdown in Tokio) der östlichste Punkt der Laienagentinnen-Odyssee. Denn Fogel inszeniert mit dem Besuch zweier US-Amerikanerinnen in Kontinentaleuropa (Nicht-EU-Länder inklusive) auch das Aufeinanderprallen der Kulturen und die Unbedarftheit, mit der Audrey und Morgan sämtliche Länder auf der anderen Ozeanseite touristisch generalisieren: „Europe“ eben, alte Welt voller alter Gebäude und unverständlicher alter Sprachen. Wie Twens im Interrail-Rausch mäandern die Frauen zwischen Wien, Prag, Vilnius, Paris, Amsterdam und Berlin, sitzen im Wiener Kaffeehaus vor der Melange, übernachten in Holland im Hostel und färben sich die Haare in einem Berliner Techno-Abbruchhaus, bevor es im Museum für Verkehr und Technik zur Klimax kommt.

Klischeetechnisch bekommt dabei auch die andere, die amerikanische Seite ihr Fett weg: Als eine Auftragskillerin (Ivanna Sakhno) über den Knopf im Ohr das „Go“ bekommt, „zwei dumme Amerikanerinnen“ zu töten, wandert ihr Zielfernrohr hilflos zwischen Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum Wiens hin und her. An einer Skulptur machen „zwei dumme Amerikanerinnen“ Selfies, auf einem Platz gackern „zwei dumme Amerikanerinnen“ mit Jungs, und auf einer pittoresken Brücke hält eine „dumme Amerikanerin“ der anderen beim Göbeln den Kopf.

Dieses mit Culture Clash gepaarte Nummernrevuehafte, das vor allem von McKinnon ausgespielt und verbal mit einem Post-#MeToo“-Bewusstsein samt dementsprechender „Right on sister!“-Sprüche garniert wird, hätte vielleicht einen medioker unterhaltsamen Comedyrahmen bilden können – auch wenn das Timing oft nicht stimmt, die Dialoge der irrelevanten Handlung zu oft Redundantes enthalten und echtes Interesse an den zappelnden Heldinnen kaum entsteht. Doch Fogel hat sich entschlossen, Actionszenen einzuflechten, die unerwartet und unfassbar brutal sind.

Und so pflastern Leichen den Weg von Audrey und Morgan: Zwischen den Gags hört und sieht man tonnenweise Knochenbrüche und Einstichwunden, abgeschnittene Körperteile und bildfüllende Tote. In einer heftigen Gewaltorgie wird ein Café verwüstet, bis Blutströme fließen, entstellte Gesichter erschrecken die Kamera, und Brutalitäten unterbrechen die Witze wie unangemessene Pausenfüller. Für die Stuntcrew, die bereits in der rasanten, an Bond oder „Mission Impossible“ erinnernden Eingangsactionsequenz zeigt, was sie draufhat, war der Film garantiert ein Festschmaus.

Wieso Fogel die auf allen Ebenen (Handlung, Tonalität) ihrer Komödie völlig überflüssige Gewalt derartig performativ einsetzt und dem Film somit eine Härte mitgibt, die jedes gemeine Splatterwerk beschämt, ist unklar – glaubt sie an einen verrohenden Publikumsgeschmack, steht sie auf Gewaltspitzen, will sie schockieren, ist ihr das Thema schlichtweg wumpe? „Bad Spies“ wirkt wie ein unentschlossener, geschmacklich fragwürdiger Versuch, Kate McKinnon und der durch „Bad Mums“ bekannten Kunis als Comedy-Starvehikel zu dienen. Doch das Vehikel rumst gegen die Wand. Und hinterlässt jede Menge realistische Unfallspuren.

29 Aug 2018

AUTOREN

Jenni Zylka

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