taz.de -- AfD-Schmutzwäsche: Bad Vibes im Mailverkehr

Nach Kritik an Nazi-Äußerungen aus Niedersachsen gängeln die eigenen Leute den Hamburger AfD-Fraktionsvorsitzenden. Jetzt will er nicht mehr.
Bild: Werden keine Freunde mehr: Dirk Nockemann (r.), Landeschef der AfD in Hamburg, und der Noch-Fraktionsvorsitzende Jörn Kruse

Hamburg taz | Der nächsten Bürgerschaft wird Jörn Kruse nicht mehr angehören: Bei der Wahl 2020 will der AfD-Fraktionsvorsitzende nicht mehr kandidieren. Zuletzt lief es schlecht für den früheren Professor für Volkswirtschaftslehre. Am vergangenen Montag hatte der AfD-Landesvorstand beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel der Abmahnung gegen Kruse einzuleiten. Der Grund dafür sind seinen Äußerungen zu rechtsextremen Entwicklungen in der Partei.

In einer E-Mail an Parteifreunde hatte Kruse der Bundesführung um Jörg Meuthen und Alexander Gauland vorgeworfen, sich nicht ausreichend von rechtsextremen Bestrebungen abzugrenzen. Der Anlass des Vorwurfs waren die [1][Aussagen des Landesvorsitzenden der Jungen Alternative Niedersachsen, Lars Steinke, über den Hitler-Attentäter Claus Schenck Graf von Stauffenberg]. In einem nicht öffentlichen Facebook-Eintrag hatte Steinke Stauffenberg als „Verräter“ bezeichnet. Das gescheiterte Attentat sei bloß ein „beschämender Versuch eines Feiglings“ gewesen, „die eigene Haut vor den kommenden Siegern zu retten“.

„So reden Nazis“

„So reden Nazis“, schrieb Kruse dazu in der E-Mail und beklagte das Fehlen einer schnellen Distanzierung durch die Parteiführung. Via Twitter äußerte sich zwar Gauland mit den Worten „Stauffenberg ist ein Held der deutschen Geschichte“ und [2][legte einen Parteiausschluss Steinkes nahe]. Doch für Kruse reichte die Äußerung nur einer Führungsperson nicht und kam offenbar auch zu spät. Der Bundesbeschluss, ein Ausschlussverfahren gegen den Jung-AfDler einzuleiten, erfolgte auch erst nach Steinkes Äußerung.

Genug ist genug, dachte sich offenbar derweil der Hamburger Vorstand und beschloss einstimmig das Verfahren gegen Kruse. Denn, so der AfD-Landesvorsitzende und stellvertretende Fraktionschef Dirk Nockemann, Kruse stelle „ständig öffentlich die eigene Partei auf dem ungebremsten Weg nach rechtsaußen dar“. Dies entspreche nicht den Tatsachen, sagt Nockemann.

„Diffamierende Angriffe“

In einer E-Mail an seine Vorstandskollegen wirft er seinem Fraktionskollegen zudem „teilweise grob diffamierende Angriffe gegen die eigene Partei“ vor. Dass Gauland sich klar distanziert hat, habe Kruse „bewusst unterschlagen“. Es sei nicht das erste Mal, dass der Fraktionsvorsitzende den anderen Parteien und den Medien die Argumente auf dem Silbertablett liefere, die sie bräuchten, um die ganze AfD zu diffamieren.

Der Beschluss dürfe Kruse in seiner Entscheidung, sich zurückzuziehen, bestärkt haben. Inwieweit er überhaupt noch eine Chance für eine Kandidatur bei der AfD gehabt hätte, darf ohnehin bezweifelt werden.

10 Aug 2018

LINKS

[1] /Nach-Post-zu-Stauffenberg-Attentat/!5526343
[2] /JA-Chef-verunglimpft-Hitler-Attentaeter/!5526617

AUTOREN

Andreas Speit

TAGS

AfD Hamburg
Schwerpunkt AfD
rechte Parteien
Hamburgische Bürgerschaft
Parteiausschluss
Jörn Kruse
AfD Hamburg
AfD Niedersachsen
Junge Alternative (AfD)
Junge Alternative (AfD)
Junge Alternative (AfD)
AfD Hamburg
Junge Alternative (AfD)
AfD Hamburg

ARTIKEL ZUM THEMA

Rechtsruck bei der AfD: Kruse ist raus

Der Fraktionsvorsitzende der Hamburger AfD, Jörn Kruse, verlässt Fraktion und Partei. Der zunehmende Rechtsruck sei untragbar für ihn.

Abgrenzung nach rechts: Hamburger AfD frisst Kreide

Die Spitze der Hamburger AfD distanziert sich von Identitärer Bewegung und Patriotischer Plattform. Der Grund ist offensichtlich: Angst vorm Verfassungsschutz.

AfD stellt sich selbst vom Platz: Fußball-Ehrenkodex abgelehnt

Die niedersächsische AfD will die Vielfalts-Erklärung der Abgeordneten-Mannschaft FC Landtag nicht unterschreiben und darf deshalb nicht mitkicken.

Nach Post zu Stauffenberg-Attentat: Junge Alternative setzt Steinke ab

Der Jung-AfDler bezeichnete den Hitler-Attentäter als Verräter. Nun hat das Schiedsgericht entschieden, ihn aller seiner Ämter zu entheben.

JA-Chef verunglimpft Hitler-Attentäter: AfD will Steinke ausschließen

In der AfD darf vieles mit Rechtsdrall gesagt werden. Das geht aber selbst Gauland zu weit: die Beschimpfung des Hitler-Attentäters Stauffenberg durch den Nachwuchs.

Nach Post zu Stauffenberg-Attentat: AfD distanziert sich von Nachwuchs

Der Jung-AfDler Lars Steinke nennt den Hitler-Attentäter einen Verräter. Das geht selbst der AfD zu weit. Ein Ausschluss wird schon länger gefordert.

Protestbrief nach Berlin wegen Pegida: Hamburgs AfD rebelliert

Vier Abgeordnete wollen nicht, dass AfDler bei Dresdner Pegida-Demos reden dürfen. Sie haben einen Protestbrief an den Bundesvorstand verfasst.

Kolumne Der rechte Rand: AfD-Jugend im Steinke-Streit

Lars Steinke ist niedersächsischer Landeschef der „Jungen Alternative“. Deren Bundesvorstand will Steinke ausschließen – nun ruft Steinke auf zum Putsch.

AFD-Parteitag in Hamburg.: AfD wählt kleineres Übel

Die Hamburger AFD wählt nach parteiinternem Hauen und Stechen den Ex-Schillianer Dirk Nockemann zum neuen Parteichef. Die Öffentlichkeit bleibt dabei ausgeschlossen