taz.de -- SPD-Fraktionschef zur Feiertagsdebatte: Küsschen, Herr Saleh. Küsschen!
Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh macht sich in der Debatte um einen neuen Feiertag für den 8. März stark. Da ist Weltfrauentag. Das passt!
Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat sich am Mittwoch in die Debatte um einen zusätzlichen Feiertag für Berlin eingemischt – und für den 8. März ausgesprochen. Er schlägt also den Frauentag vor. Tja, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit mit Ideen zu kitzeln, zu denen alle irgendwie eine Meinung haben, dann wohl er. Wir erinnern uns an Salehs provozierend entspannte Haltung zum Cannabis-Verkauf oder auch an die tatsächlich Wirklichkeit gewordene gebührenfreie Kita.
Die Aufmerksamkeit ist ihm also mal wieder gewiss. Aber sei’s drum: Küsschen, Herr Saleh. Küsschen! Ihr Beitrag zur Feiertagsdebatte, der ja originär auf einem Vorstoß Ihrer Parteikollegin Iris Spranger fußt, ist der bessere. Zumindest besser als der, den Ihr Parteigenosse, der Regierende Bürgermeister Michael Müller, hatte. Müller favorisiert den 18. März, da würde man sich dann also kollektiv an die Märzrevolution 1848 erinnern.
Das ist natürlich ein durch und durch vernünftiger Vorschlag: Des verdienstvollen Aufstands des liberal-demokratisch gesinnten Bürgertums gegen die unheilige Allianz diverser europäischer Fürstentümer und des russischen Zarenhofs darf man mit Fug und Recht gedenken.
Deutsche Geschichte, bunte Stadt
Allerdings ist der 18. März eben auch ein Datum, das sehr in der deutschen Geschichte verhaftet ist. Und dafür sollte einem eine Großstadt wie Berlin dann doch ein bisschen zu bunt vorkommen. Der Frauentag ist da schon deutlich universeller, seinen Ursprung hat er übrigens in den USA: 1908 wollten dort bürgerliche Frauenrechtlerinnen mit einem „nationalen Kampftag“ für das Frauenwahlrecht streiten.
In Deutschland wiederum trieb die Sozialistin Clara Zetkin das Anliegen voran: 1910 beschloss die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen auf Zetkins Bestreben hin einen Internationalen Frauentag. Die UN adelten ihn 1977 zum Welttag, und zwar für Frauenrechte und den Weltfrieden.
Frauenrechte, Gleichberechtigung, Weltfrieden. Der Frauentag als Feiertag ist ein Statement, das Grundwerte verteidigt – und zwar solche, die alle, die in dieser Stadt leben, zumindest zur Kenntnis nehmen sollten. Das Abgeordnetenhaus muss einen solchen Feiertag beschließen. Am Mittwoch befasste sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema – Hintergrund für die Feiertagsdebatte ist, dass Berlin das Bundesland mit den wenigsten arbeitsfreien Feiertagen ist.
Wie dem auch sei: Die Damenwelt haben Sie ganz auf Ihrer Seite, Herr Saleh. Bussi!
8 Aug 2018
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
UVB-Chef Schirp fordert angesichts von Stagnation Verzicht auf Feiertag am 8. März. Das soll der Berliner Wirtschaft 230 Millionen Euro bringen.
Auf der morgigen Vorstandswahl wird sich zeigen, ob Raed Saleh weiter allein an der Spitze der SPD-Fraktion stehen kann. Bislang ist noch alles offen.
Nicht nur der 8. März soll Feiertag werden, die Berlinerinnen kriegen auch am 8. Mai 2020 frei. Und das war vielleicht noch nicht alles.
In der Koalition zeichnet sich der Internationale Frauentag am 8. März als neuer gesetzlicher Feiertag ab. Fehlt nur noch die Zustimmung der Grünen.
Die Liste der möglichen Daten für Berlins zusätzlichen Feiertag wird immer länger, jetzt kommt der Tag des Mauerfalls dazu.
Was soll eigentlich diese Scheu vor dem 9. November als Feiertag? Er ist einfach ein Tag voller Geschichte. Und wer sagt, dass Feiertag gleich Jubeltag ist?
Der von Michael Müller vor drei Monaten versprochene neue Feiertag ist noch in weiter Ferne. Eine klare Haltung hat bislang nur die Linke.
Weltweit protestieren Frauen gegen ungleiche Bezahlung, sexuelle Übergriffe und Gewalt. Die Demonstrationen verlaufen weitgehend friedlich.
Tausende Frauen treten am Frauentag in den Ausstand. Sie protestieren gegen Benachteiligung im Job und häusliche Gewalt.