taz.de -- Schirmherr Horst Seehofer: Der Problem-Preis
Die Flüchtlingshilfe Harvestehude ist für den Nachbarschaftspreis nominiert und würde ihn auch gerne annehmen. Aber es gibt einen Haken.
Hamburg taz | Den Deutschen Nachbarschaftspreis würden sie trotz Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) annehmen, sagt Hendrikje Blandow-Schlegel, Vorsitzende des Vereins Flüchtlingshilfe Harvestehude. Sich zurückzuziehen, weil Seehofer kraft Amtes Schirmherr des Preises ist, wäre falsch: „Wir sollten jede Gelegenheit nutzen, ihm die Meinung zu sagen“, findet Blandow-Schlegel: „Ich stelle mich gerne auf die Bühne und sage ihm ins Gesicht, dass er einen Rollback in den Nationalismus betreibt.“
Der Flüchtlingshilfeverein aus dem gediegenen Stadtteil an der Außenalster ist nominiert worden für den Nachbarschaftspreis der nebenan.de Stiftung (siehe Kasten). Die Stiftung distanziert sich von der Politik ihres Schirmherren: „Wir stehen für andere Werte als Herr Seehofer“, sagt Stiftungs-Geschäftsführer Michael Vollmann der taz. Aber nebenan.de könne sich ja „die Hausleitung im Ministerium nicht aussuchen“. Zwei Flüchtlingsinitiativen aus Berlin und Köln haben ihre Nominierungen für den Preis mit Hinweis auf den Schirmherren bereits abgelehnt.
Das sei „sehr respektabel“, sagt Blandow-Schlegel, aber nicht der Weg der Harvestehuder. Wer sich aus der Diskussion zurückziehe, werde nicht mehr wahrgenommen. Selbstredend distanziere sich die Flüchtlingshilfe Harvestehude von Seehofer, „der Europa als Festung abschotten möchte, Menschen als zweitklassig deklariert und Seenotretter kriminalisiert“. Deshalb müsse man ihm gegenüber „Tacheles reden und seine Haltung in Grund und Boden kritisieren“, sagt die Vorsitzende der flüchtlingshilfe Harvesterhude.
Aber genau darum dürfe man nicht aus dem Dialog aussteigen und das Feld den anderen überlassen. Ihr Verein sei nach internen Diskussionen zu der Einschätzung gelangt, dass die Nominierung für den Nachbarschaftspreis ein Forum ist, dass man nutzen solle, um für die eigenen Ziele zu werben. Die da wären: „Das Empowerment von Menschen mit Migrationshintergrund, die Vermittlung von Sprachkenntnissen und demokratischen Grundwerten sowie die Akzeptanzarbeit in der Nachbarschaft“, sagt Blandow-Schlegel.
Die 56-jährige Rechtsanwältin, die im Februar 2014 zusammen mit 58 Nachbarn den Verein Flüchtlingshilfe Harvestehude gegründet hatte, ist auch SPD-Abgeordnete in der Bürgerschaft. Deshalb hatte sie Anfang Juli in einem Brief an ihre Parteivorsitzende Andrea Nahles mit drastischen Worten davor gewarnt, die von Seehofer und der CSU geforderten Verschärfungen in der Asylpolitik mitzutragen.
„Unser Land ist auf dem Weg in eine neue Form des Faschismus“, schrieb sie an die „liebe Genossin Andrea“. Und weiter: „Ich wünsche mir, dass die SPD nicht Teil dieser Bewegung wird.“ Eine Antwort hat sie noch nicht bekommen. Aber demnächst bekommt sie vielleicht von Horst Seehofer einen Preis.
1 Aug 2018
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