taz.de -- Jahrestag der Revolution in Nicaragua: Ortega feiert Sieg über „Putschisten“
Nicaraguas Präsident Daniel Ortega hält die Proteste für einen Putschversuch. Von der staatlichen Gewalt sagt er bei den Revolutionsfeiern nichts.
Wien taz | Anlässlich des 39. Jahrestags des Sieges über die Somoza-Diktatur hat Nicaraguas Präsident Daniel Ortega auf einem schütter besetzten „Platz des Glaubens“ in Managua am Donnerstag seine Wahrheit über den Konflikt verkündet, der seit drei Monaten das Land erschüttert und bereits um die 400 Todesopfer gefordert hat. „Satanische Sekten“ hätten den Aufstand in Nicaragua angezettelt, wetterte Ortega. Die Bischöfe seien Putschisten.
Bekleidet mit weißem Hemd und blauer Baseball-Kappe wurde der Staatschef auf der Tribüne nur von seiner Frau, dem Apostolischen Nuntius und den Außenministern von Kuba und Venezuela begleitet. Letzteren dankte er für die Bereitschaft, Truppen zu entsenden, um den Aufstand niederzuschlagen.
Die Bischöfe, die einen gescheiterten Nationalen Dialog moderiert hatten, haben sich in den vergangenen Wochen zunehmend auf die Seite der Bürgerallianz geschlagen, die den Rücktritt von Ortega und seiner Frau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, erzwingen will. Mehrmals konnten Studenten oder Demonstranten nur durch das Einschreiten von Geistlichen vor der Repression der Antiaufruhrpolizei und paramilitärischer Trupps gerettet werden.
Ortega: „Ich dachte, sie wären Vermittler. Aber nein, sie stehen auf der Seite der Putschisten“. Ihre Kirchen hätten sie in „Kasernen verwandelt, wo Waffen und und Bomben gelagert werden, und von wo aus attackiert und gemordet wird“. „Putschisten, Putschisten, Putschisten!“, grölte die aus allen Landesteilen herbeigekarrte Menge.
Die Regierung ist international isoliert
In Ortegas Welt gibt es nur Opfer auf Regierungsseite, nämlich nach offiziellen Angaben 19 Polizisten und Paramilitärs. Rosario Murillo sieht das Volk von Nicaragua „unterwegs zu neuen Siegen“. Man sei fest entschlossen, Sicherheit und Leben der Bürger gegen „terroristische Aktionen“ zu schützen.
Wie isoliert das Ortega-Regime inzwischen auch international ist, zeigte am Mittwoch eine Abstimmung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Der Ständige Rat der OAS nahm in einer Sondersitzung mit 21 gegen drei Stimmen eine Resolution an, die die Repression und Gewalt „gegen das Volk von Nicaragua“ verurteilte.
An der Seite Nicaraguas stimmten nur Venezuela und die Karibikinsel St. Vincent dagegen. Sieben Staaten enthielten sich der Stimme, drei zogen es vor, vor der Abstimmung den Saal zu verlassen. Darunter Bolivien, das vorher vergeblich versucht hatte, die Resolution zu entschärfen.
Unklarheit herrscht indessen über das Schicksal von rund 30 jungen Männern, die in der Stadt Masaya angesichts der Übermacht der Regierungskräfte die Barrikaden aufgegeben und sich zurückgezogen hatten. In den sozialen Medien kursieren Gerüchte, wonach sie entweder massakriert worden seien oder gefasst und in einem Geheimgefängnis gefoltert würden.
20 Jul 2018
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In Nicaragua werden Oppositionelle erschossen und Künstler bedroht. Trotzdem wird immer noch protestiert, sagt Liedermacherin Katia Cardenal.
Polizisten und paramilitärische Gruppen haben die Barrikaden der Regierungskritiker geräumt. Nun werden Oppositionelle terrorisiert.
In Nicaragua lässt die Regierung von Daniel Ortega Regierungsgegner und Intellektuelle verhaften oder verschleppen. Ärzte werden entlassen.
Kurz vor dem Jahrestag der Revolution lässt Daniel Ortega Masaya angreifen. Die Stadt gilt als Hochburg des Widerstands gegen sein Regime.
Demonstranten fordern den Rücktritt von Nicaraguas Präsidenten Daniel Ortega. Doch dieser lässt die Gewalt eskalieren. Die EU fordert eine demokratische Lösung.
Die Polizei stürmt die seit Monaten besetzte Autonome Universität in Managua. Zwei oppositionelle Studierende werden per Kopfschuss getötet.