taz.de -- Kommentar Rechtsruck in Italien: Verunsichert und kleinbürgerlich

Bei den Stichwahlen am Sonntag ist die Toskana in die Hand der Rechten gefallen. Das zeigt: Italien ist nicht mehr das protzig-sympathische Land.
Bild: Einiges läuft schief in Italien

Jetzt auch noch die Toskana! Gerade da haben wir Deutsche uns doch immer so viel Mühe gegeben! Das maritime Massa, das noble Pisa und sogar das wunderschöne Siena – diese und andere, quasi naturgegeben „rote“ toskanische Gemeinden sind bei den Stichwahlen am Sonntag in die Hand der Rechten gefallen.

Innenminister [1][Matteo Salvini] von der Lega hatte sich in den letzten Wochen im Kommunalwahlkampf sehr engagiert – und er hat zum dritten Mal nach den Parlamentswahlen im März und den Regionalwahlen im Mai gewonnen, mit dem so dummen wie erfolgreichen Slogan „Italiener zuerst“.

Wurden 2013 noch zehn von elf Provinzhauptstädten der Region von Bürgermeistern der Demokratischen Partei (PD) regiert, so sind es heute nur noch drei – in Florenz, der toskanischen Hauptstadt und politischen Heimat des ehemaligen Premiers Matteo Renzi wird erst nächstes Jahr gewählt; und auch hier sieht es nicht gut aus für den PD-Bürgermeister.

Salvini hat ein weiteres Mal bewiesen, dass er weiß, wie man im heutigen Italien Mehrheiten gewinnt. Auf ihn trifft zu, was schon Silvio Berlusconis Erfolg Anfang der Neunziger möglich machte: „Er ist so italienisch“, schrieb damals eine Korrespondentin.

Land mit unangenehmer Stimmung

Aber [2][das heutige Italien] ist nicht mehr das selbstsichere, protzig-angeberische, aber auch auf kuriose Art sympathische Land des Cavaliere Berlusconi; es ist ein verunsichertes, mies-kleinbürgerliches Land, in dem man verblüffend genau jene „atmosphärisch unangenehme Stimmung“ wiederfindet, die Thomas Mann 1930 im toskanischen Badeort Forte dei Marmi unter den inländischen Mittelklassetouristen erspürte und in seiner Novelle „Mario und der Zauberer“ festhielt.

Nun tröstet sich mancher in Italien mit der vielerorts niedrigen Wahlbeteiligung. Dabei ist sie nur ein weiteres Zeichen dafür, dass vier Monate nach der krachenden Niederlage bei den nationalen Wahlen selbst in einer linken Kernregion keine Alternative zur rassistisch-pseudosozialen Politik von Lega und der weitgehend in der Versenkung verschwundenen Fünf-Sterne-Bewegung etabliert worden ist.

Salvini ist ein begabter Politiker. Aber vor allem einer ohne Gegner.

25 Jun 2018

LINKS

[1] /Rechter-Innenminister-Italiens/!5511671
[2] /Debatte-Italiens-neue-Regierung/!5507654

AUTOREN

Ambros Waibel

TAGS

Italien
Lega
Matteo Salvini
Lega
Deutsche Bank
Italien
Schwerpunkt Rassismus
Matteo Salvini

ARTIKEL ZUM THEMA

Rechtsruck, Braindrain, Frust: Italien kann zur Hölle fahren

Wie viele seiner akademisch gebildeten Landsleute hat unser Autor sein Heimatland verlassen. Was nun dort vorgeht, macht ihn fassungslos.

Die Villa Romana und die Deutsche Bank: Außen Toskana, innen Diskurs

Die Villa Romana in Florenz gilt als ein kritischer Kunst-Hotspot. Nun will die Deutsche Bank die Förderung einstellen.

Kommentar Polizeischutz für Saviano: Salvini droht Anti-Mafia-Autor

Italiens Innenminister stellt den Polizeischutz für Roberto Saviano infrage. Es wäre nicht das erste Mal, dass Schutz trotz Bedrohung entzogen wird.

Rechter Innenminister Italiens: Matteo Salvini will Roma zählen

Der Lega-Parteichef möchte Sinti und Roma registrieren lassen – und die Ausländer unter ihnen ausweisen. Der Koalitionspartner M5S protestiert.

Rettungsschiffe von deutschen NGOs: Salvini will Einfahrt in Häfen verbieten

Italiens Innenminister Matteo Salvini verschärft nochmal den Ton in der Flüchtlingsdebatte. Er will zwei privaten Seenotrettern untersagen, Italiens Küste anzusteuern.