taz.de -- Asylstreit von CDU/CSU: Worüber Merkel verhandeln muss
Die Kanzlerin hat 14 Tage Zeit, um mit der EU die Zurückweisung registrierter Asylbewerber zu klären. Im Fokus: der Gipfel Ende Juni.
BERLIN taz | Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist stark rückläufig. 2017 beantragten rund 222.500 Menschen Schutz in der Bundesrepublik, wie die europäische Asylbehörde EASO am Montag mitteilte – 70 Prozent weniger als im Vorjahr. 60.489 Asylantragsteller von ihnen waren mit ihren Fingerabdrücken bereits in einem anderen EU-Staat registriert. Ob hier eine automatische Zurückweisung an der Grenze zulässig ist, ist zwischen CDU und CSU weiterhin umstritten. Bisher erhalten die meisten dieser Flüchtlinge ein weiteres Asylverfahren in der Bundesrepublik, nur ein kleinerer Teil wird in das EU-Ankunftsland zurück verbracht.
Im Jahr 2017 konnten laut Bundespolizei zudem rund 1.200 Personen nach Deutschland einreisen, obwohl sie nach einer Abschiebung bereits eine Wiedereinreisesperre hatten. Die erneute Einreise war deshalb möglich, weil die Migranten an der Grenze einen erneuten Asylantrag ankündigten. Hier will künftig auch die CDU eine automatische Zurückweisung vornehmen.
Bisher gibt es zwischen Bayern und Österreich nur an 3 von 70 Übergängen feste Kontrollpunkte. So könnten Flüchtlinge recht leicht über die grüne Grenze doch nach Deutschland kommen. Der Zurückweisungsbeschluss stünde dann vor allem auf dem Papier.
Seehofer könnte aber auch die Bundespolizei beauftragen, die Grenzen besser zu überwachen. Im Herbst 2015 hatte Bundespolizeichef Dieter Romann einen Plan hierzu ausgearbeitet, der nie umgesetzt worden ist. Mit rund 4.000 Polizisten könnten demnach alle Übergänge zu Österreich bewacht werden und in einem Grenzbereich von 25 Kilometern eine intensive Schleierfahndung stattfinden. Auch Hubschrauber und Wasserwerfer könnten bei Bedarf zum Einsatz kommen. Der Plan sei binnen drei Tagen umsetzbar. Damals betrugen die Flüchtlingszahlen allerdings ein Vielfaches von heute.
Umstrittene Dublin-Verordnung
Merkel bat schon letzte Woche darum, noch 14 Tage abzuwarten, weil Ende Juni ein ohnehin geplanter EU-Gipfel stattfindet. Dort sollen die lange laufenden Verhandlungen über neue EU-Asyl-Richtlinien und -Verordnungen zum Ende kommen. Am umstrittensten ist dabei die Neuauflage der Dublin-Verordnung. Heute ist in der Regel ein EU-Staat an den Außengrenzen zuständig.
Faktisch finden aber 30 Prozent der EU-weiten Asylverfahren in Deutschland statt. Künftig sollen Außenstaaten wie Italien auch offiziell entlastet werden, indem Aufnahmequoten für andere Staaten festgeschrieben werden. Staaten wie Ungarn und Polen wollen solchen Aufnahmequoten bisher nicht zustimmen. Deutschland würde am Ende wohl kaum besser dastehen als heute.
Daneben will Merkel mit Staaten wie Italien zweiseitige Abkommen abschließen. Die Dublin-III-Verordnung erlaubt den Abschluss solcher Verwaltungsabkommen, in denen zum Beispiel die Fristen für das Übernahmeverfahren verkürzt werden können. Bisher scheiterte die Überstellung oft daran, dass Deutschland die engen Fristen nicht einhalten konnte. Eine Verkürzung der Fristen wäre also kontraproduktiv. Falls es zu solchen Abkommen kommt, würde Seehofer sie also nur mit viel gutem Willen als „wirkungsgleiche“ Maßnahme verkaufen können.
19 Jun 2018
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