taz.de -- Heiner Flassbeck über Merkels Euro-Pläne: „Das ist alles Kleinkram“

Heiner Flassbeck kann Angela Merkels Reformplänen für die Eurozone wenig abgewinnen. Die neue italienische Regierung lobt der Wirtschaftswissenschaftler hingegen.
Bild: Angela Merkel will Euro-Reformen. Ob sie damit die Spaltung in der Währungsunion überwinden kann?

taz: Ein Europäischer Währungsfonds soll her, sagt Kanzlerin Merkel. Können Sie dem Vorschlag etwas abgewinnen?

Heiner Flassbeck: Nein, überhaupt nicht. Einen Währungsfonds braucht man nur, wenn Länder sich in ausländischer Währung verschuldet haben und unter Abwertungsdruck stehen. Das bedeutet, dass sie ausländische Währung brauchen, um ihre eigene Währung zu stabilisieren. In der Eurozone hat sich – naturgemäß – niemand in ausländischer Währung verschuldet.

Aber ein Europäischer Währungsfonds könnte Staaten vor der Pleite bewahren.

Dafür gibt es die Europäische Zentralbank. Die hat gefälligst alle zu retten, die des Rettens würdig sind, was immer und jederzeit für Staaten gilt. Diese ganzen Konstruktionen, die jetzt ins Spiel gebracht werden, braucht man in einem einheitlichen Währungsgebiet überhaupt nicht.

Merkel, Macron und die EU-Kommission wollen zumindest mehr Geld für Investitionen bereitstellen. Kann das verschuldeten Staaten nicht helfen?

Das ist alles Kleinkram. Mehr Investitionen sind zwar gut, aber keine Lösung für die Probleme der Eurozone. Sie bringen höchstens eine kleine Verbesserung der schlechten Lage.

Was würde denn einen Unterschied machen?

Bei der Konstruktion der Eurozone ging man dem monetaristischen Dogma nach, das nur die Geldmenge stabil bleiben müsse, um die Inflation im Griff zu halten. Heute weiß fast jeder, dass das falsch ist. Stattdessen brauchen wir eine Koordination der Lohnpolitik – und eine Korrektur von Deutschlands grundfalscher Politik der letzten fünfzehn Jahre.

Sie meinen die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse.

Ganz genau. Deutschland hat die Konstruktion der Eurozone schamlos ausgenutzt und Lohndumping betrieben. Wir brauchen Institutionen, die im Zweifel dafür sorgen, dass Mitgliedstaaten ihre Löhne an der Produktivität orientieren. Hier verstößt Deutschland gegen die entscheidenden Regeln.

In Brüssel fürchtet man, dass Italien sich mit der geplanten expansiven Sozialpolitik nicht mehr an die gemeinsamen Regeln zur Staatsverschuldung hält. Kann Italien den Euro gefährden?

Italien ist überhaupt nicht gefährlich für den Euro. Die Menschen dort sind verzweifelt, weil sie genau wissen, was als Nächstes kommt, wenn sich jetzt nichts ändert. Lohnkürzungen, weniger Sozialleistungen – genau wie in Griechenland. Und die wirtschaftliche und soziale Lage in Griechenland ist immer noch katastrophal. Das wollten die Wähler in Italien verhindern.

Die neue Regierung plant eine niedrigere Einkommensteuer und eine Art Grundeinkommen. Damit sind neue Schulden programmiert …

Man muss Schulden machen, damit die Wirtschaft in Gang kommt. Die italienische Regierung will etwas anders machen, und damit hat sie vollkommen recht. Einige Ökonomen und Politiker dort haben erkannt, dass es mit der Sparpolitik so nicht weitergehen kann. Sie wollen die europäischen Verträge ändern und mehr Geld ausgeben. Und das ist das Einzige, was Italien und den Euro retten kann.

5 Jun 2018

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Jörg Wimalasena

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