taz.de -- Umbau der Autoindustrie auf E-Mobilität: Zehntausende Jobs in Gefahr

Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor kostet die Autoindustrie viele Arbeitsplätze. Das sagt eine neue Studie der IG Metall.
Bild: Die Umstellung auf E-Autos wird sehr viele Arbeitsplätze kosten

Berlin taz | In der deutschen Autoindustrie brechen Arbeitsplätze weg. Zwischen 11 und 37 Prozent könnte der Personalbedarf bis 2035 sinken, das geht aus einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart im Auftrag der IG Metall hervor, die [1][am Dienstag in Teilen veröffentlicht wurde].

Darin haben die Wissenschaftler berechnet, was der Technikwandel weg vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität für die Beschäftigung in Deutschland bedeutet. Mehr als 840.000 Menschen arbeiteten 2017 in der Automobilindustrie. Nach Hochrechnungen des IAO entwickeln oder produzieren 210.000 von ihnen Antriebsstränge, also etwa Motoren, Getriebe oder Antriebswellen, die in Elektromotoren nicht mehr gebraucht werden. Vor allem in diesem Bereich würde die Beschäftigung stark zurückgehen.

Regional betroffen seien „vor allem die Regionen mit einer starken Zulieferindustrie: Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen“, so Oliver Riedel, Leiter des Instituts. Berücksichtigt hat das IAO dabei, dass im Bereich Batterien oder Elektronik neue Arbeit entstehen wird. Weil die Zulieferindustrie Teile der Wertschöpfungskette von Elektroautos quasi schon aufgegeben hat – etwa die Zellproduktion oder die Magnetherstellung –, haben die Wissenschaftler des IAO diese aber nicht einberechnet.

Wie der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor auf die Beschäftigung wirken wird, ist umstritten und wird in zahlreichen Studien untersucht. Der Markt für elektrische Antriebsstränge – die Batterie, die Leistungselektronik, das Getriebe – werde in den nächsten Jahren stark wachsen, prognostiziert Christian Hochfeld, Direktor Agora Verkehrswende. „Sind die deutschen Unternehmen hier führend, werden sie ihren Marktanteil ausweiten und dadurch die Beschäftigungseffekte der Elektrifizierung wettmachen können“, so Hochfeld. Er geht davon aus, dass ein ganz anderer Trend viel mehr Arbeitsplätze kosten wird als die Elektromobilität: die zunehmende Automatisierung entlang der Wertschöpfungskette.

Laut der [2][Studie „Mobiles Baden-Württemberg“] vom Oktober 2017 könnte eine unter Gesichtspunkten von Klima- und Gesundheitschutz notwendige „Neue Mobilitätskultur“ mit einer veränderten Stadtplanung, weniger privaten Pkw und mehr öffentlichem Verkehr und Fahrrädern viel mehr Arbeitsplätze in der Autoindustrie kosten als die Elektromobilität.

6 Jun 2018

LINKS

[1] https://www.iao.fraunhofer.de/lang-de/presse-und-medien/aktuelles/2037-weichenstellung-fuer-die-automobilindustrie.html
[2] https://www.bwstiftung.de/fileadmin/Mediendatenbank_DE/BW_Stiftung/Programme_Dateien/Bildung/Nachhaltige_Entwicklung/Mobiles_Baden-Wuerttemberg/BWS_SR_MobilesBW_A4_web_interaktiv.pdf

AUTOREN

Heike Holdinghausen

TAGS

Mobilität
Arbeit
Elektromobilität
Elektromobilität
Mobilität
Konsum
VW-Abgas-Skandal
Diesel
Volkswagen
Stadtentwicklung Hamburg

ARTIKEL ZUM THEMA

Unternehmen und die Verkehrswende: Ladestationen für E-Bikes reichen nicht

Firmenm werben mit Job-Tickets und Ladestationen für E-Bikes. Doch sie könnten noch viel mehr für eine tatsächliche Verkehrswende tun.

Debatte Klimaschutz und Mobilität: Weder Benzin noch Diesel

Zeit für ein Bekenntnis: Die Umweltbewegung muss den Kampf gegen den Verbrennungsmotor genauso ernst betreiben wie den gegen den Diesel.

Kolumne Wir retten die Welt: Wie falsch ist Richtiges von Falschen?

E-Autos statt Diesel, Bio statt Quäl – schön, wenn die Menschen vernünftig sind. Aber was, wenn das aus seltsamen Motiven geschieht?

Neuer Volkswagen-Konzernchef: Große Aufgaben für Herbert Diess

Die Marken bei Volkswagen werden neu geordnet, der Vorstand neubesetzt. Ab sofort an der Spitze: Herbert Diess. Der hat die wichtigste Aufgabe schon definiert.

Motorenexperte setzt auf Diesel: „Diesel-Technologie ist hervorragend“

Wenige Jahre alten Diesel-Pkws den Weg in die Stadt zu versperren sei keine gute Idee, sagt Thomas Koch vom KIT in Karlsruhe.

VW setzt auf Elektromobilität: Sachsen fährt elektrisch

Der Autobauer will seine neue Strategie zur E-Mobilität umsetzen. Den Städten Zwickau und Dresden kommt dabei eine besondere Rolle zu.

Wird Hamburg noch eine richtige Stadt?: Willkommen, neue Dichte!

Die Wohnungsnot in den Großstädten gebiert eine neue Architektur der Verdichtung. Führt die zu mehr Stress? Quatsch, Hamburg zum Beispiel kann sie nur gut tun.