taz.de -- G20-Dokumentarfilm „Vor dem Knall“: Vom Dröhnen der Hubschrauber

„Vor dem Knall“ zeigt die Stimmung in Hamburg vor der Ankunft der Staatschefs. Die Diskussion bei der Premiere dreht sich trotzdem nur um die Gewalt bei den Demos.
Bild: Die Polizei rüstet auf: Der Dokumentarfilm „Vor dem Knall“ zeigt die Tage vor dem G20-Gipfel

HAMBURG taz | Warum Hamburg? Die Entscheidung, den G20-Gipfel hier stattfinden zu lassen, leuchtet den Hamburger*innen noch immer genauso wenig ein wie vor dem Gipfel – das zeigt sich bei einer Premiere im Abaton. Es ist Dienstagabend, es läuft Nahuel Lopez’ [1][Dokumentarfilm] „Vor dem Knall“ über die Tage vor dem Gipfel, und der Saal ist ausverkauft.

Auf der Leinwand blickt Michel Haase, Anwohner auf St. Pauli, in Lopez’ Kamera. Er sitzt im Park Fiction und beschreibt, was die Gipfelteilnehmer*innen alternativ hätten tun können: „Digger, die hätten sich ein Boot mieten können, und dann rüber nach Blohm & Voss, da frühstücken und sich die Köpfe einschlagen, mit ’nem Kochlöffel. Und wer die meisten Kochlöffel verteilt, kriegt Recht.“

Zwei Wochen vor dem Gipfel steht die Besitzerin des Plattenladens Groove City in der Marktstraße, Marga Glanz, in ihrer Ladentür und regt sich über die Demoverbotszone auf: „Die größten Wichser kommen hier nach Hamburg und wir sollen nicht demonstrieren können? Das ist falsch!“ Auch eine Mutter, die ihr Kind eigentlich nicht zum Polizeihass erziehen will, beklagt sich, Künstler, Journalisten, Philosophen und ein Protestforscher kommen zu Wort.

Über vielen Interviews liegt der dumpf-dröhnende Sound von Hubschraubern – die Stimmung der Stadt im Ausnahmezustand ist im Kinosaal zu spüren. Der Film zählt die Tage, mit denen das bedrohliche Ereignis näher rückt. Doch als die Lage bei der „Welcome to Hell“-Demo eskaliert, bleiben die Szenen brutaler Gewalt aus. Auch die Plünderungen im Schanzenviertel kommen nicht vor, lediglich ein eingeblendeter Text benennt den rechtsfreien Raum und den SEK-Einsatz.

„Vor dem Knall“ spart den Knall aus, um nicht die stumpfe Sensationsgier zu befriedigen. „Die Gewalt muss juristisch aufgearbeitet werden“, sagt Lopez. „Was bleibt, sind die Fragen 'wo standen wir mit dem Protest, wie haben sich die Menschen gefühlt, welche Ängste hatten sie.“

Lopez will ein Zeitdokument liefern und über den Tellerrand schauen, deshalb habe er beispielsweise den Philosophen Srecko Horvat interviewt, der sagt, man müsse überlegen, wie man digitalen Widerstand organisiere, wenn man immer, wenn man etwas google, für den Feind arbeite.

Leider ist das nicht das, worüber das Publikum reden will. So geht es in der anschließenden Diskussion doch wieder um Gewalt, den Polizeieinsatz, politische Justiz und die Frage: „Warum Hamburg?“ Staatsrat Wolfgang Schmidt hält stur an seiner Interpretation fest – es habe keinen alternativen Ort gegeben und der Polizeieinsatz sei verhältnismäßig gewesen. Das Publikum stöhnt hier und da entnervt, pöbelt dann und wann gemäßigt. Lopez wirkt etwas unzufrieden.

Nach einer Dreiviertelstunde ist der Abend vorbei, aber die Diskussionen vor dem Kino gehen weiter. Eine Frau sieht bedrückt aus. Die Ereignisse seien wieder hochgekommen, sagt sie. Eine Gruppe diskutiert aufgebracht, einer ist erleichtert, dass die Gewalt nicht gezeigt wurde, eine andere ist unzufrieden, dass alle noch immer so starr auf ihren Positionen beharren. Bei G20 seien Welten aufeinandergeprallt, sagt eine andere.

5 Apr 2018

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[1] https://vimeo.com/258176475

AUTOREN

Katharina Schipkowski

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