taz.de -- Kommentar G20-Proteste in Hamburg: Professionelle Eskalation

Im Vorfeld des G20-Gipfels gibt sich die Polizei alles andere als deeskalativ. Im Gegenteil: Willkürlich probt sie den Ausnahmezustand.
Bild: Triebabbau mit Pfefferspray: Polizisten räumen ein #NoG20-Camp im Hamburger Stadtteil Altona

Man muss sich das mal vorstellen: Würde ein G20-Gipfel in, sagen wir, Sankt Petersburg stattfinden, und würden noch vor Beginn des Gipfels Menschen, die beim abendlichen Bier zusammen stehen, mit Wasserwerfern auseinandergetrieben – hierzulande wäre die Hölle los.

Polizeistaat!, würden es heißen, Verletzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit! Aber der Gipfel findet nicht in Sankt Petersburg statt, sondern in Hamburg. Und weil offenbar ganz klar ist, dass hier immer alles mit rechtsstaatlichen Mitteln zugeht, und weil die Polizei ja schließlich den reibungslosen Ablauf des Gipfels schützen muss – schwer genug in einer Großstadt – ist hier eben nicht die Hölle los.

Doch die Polizei probt in Hamburg in bester Manier der Selbstermächtigung den Ausnahmezustand. Sogar sie selbst räumt auf Nachfrage ein, dass Straftaten vor dem Einsatz nicht vorgelegen hätten – nur Personen hätten sich auf der Fahrbahn befunden, die nach Aufforderung nicht zur Seite gegangen wären. Echt jetzt? Wasserwerfer gegen ein Straßenfest?

Potenzgehabe der Polizei

Verhältnismäßigkeit der Mittel ist noch so ein rechtsstaatliches Prinzip, das von der Polizei mal eben nass gemacht wird. Fast müsste man lachen über das ganze Potenzgehabe. Jetzt hat die Polizei die neuen Wasserwerfer, da muss sie sie auch ausprobieren. Jetzt ist sie schon mal mit 20.000 Männern und Frauen im Einsatz, da sollen die auch was zu tun haben.

Abreaktion und Triebabbau müssen sein, wir wissen ja schon, was passiert, wenn man den Leuten nichts zu tun gibt.

Aber das, was hier gezeigt wird, ist professionelle Eskalation. Was zurück bleibt, sind Wut und Frust und Unverständnis. Und wenn es in den nächsten Tagen knallt, ist ja klar, wer Schuld ist: Es sind, wie immer, die Chaoten.

5 Jul 2017

AUTOREN

Patricia Hecht

TAGS

G20-Gipfel
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Rote Flora
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
G20-Gipfel
G20-Gipfel
G20-Gipfel
G20-Gipfel
Deutscher Kolonialismus
G20-Gipfel
G20-Gipfel
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg

ARTIKEL ZUM THEMA

G20-Dokumentarfilm „Vor dem Knall“: Vom Dröhnen der Hubschrauber

„Vor dem Knall“ zeigt die Stimmung in Hamburg vor der Ankunft der Staatschefs. Die Diskussion bei der Premiere dreht sich trotzdem nur um die Gewalt bei den Demos.

taz-Liveblog zum G20-Freitag: Schwere Krawalle im Schanzenviertel

Der G20-Freitag war von Gewalt geprägt. Tagsüber gab es friedliche Proteste, abends randalierten Autonome. Bis zur Räumung von Spezialeinheiten der Polizei.

Überwachung beim G20-Gipfel: Hamburg von oben

Die Polizei wird während des Gipfels Drohnen einsetzen, so viel steht fest. Aber was die filmen und was mit den Aufnahmen geschieht, will keiner sagen.

Kommentar zu Gewalt bei G20: Eine verlogene Diskussion

Trump wirft Bomben, aber Linke sollen sich von jedem Steinwurf distanzieren. In einem Gastbeitrag hält die Interventionistische Linke dagegen.

Bundeswehreinsatz bei G20: Sie. Dienen. Dem Gipfel.

Die Bundeswehr stellt ein Kriegsschiff, Hubschrauber und Unterwasserdrohnen. Für die Streitkräfte ist das ein schwieriges Terrain.

Kolumne G-kacken: Knattern und Cornern

Gestern stand „Cornern“ auf dem Aktionsplan des zivilen Protests. Es ging darum, auf Straßen und Plätzen herumzusitzen, zu essen, zu plaudern.

Kreativer Protest in Hamburg: Ein Spiegelbild der Gesellschaft

Die Kunstperformance „1.000 Gestalten“ möchte die Gesellschaft im Vorfeld des G20-Gipfels auf ihre Verkrustung hinweisen.

Geschichte und G20-Gipfel: Orte des Kolonialismus

Die Stadt rühmt sich mit ihrer Weltoffenheit und will nun ihre Kolonialgeschichte aufarbeiten. Dafür müsste auch das Selbstbild angekratzt werden.

G20-Proteste in Hamburg: Das sind die Alternativen

Massive Polizeieinsätze, friedliche Proteste. Bislang ist die Stimmung in Hamburg ruhig. Heute startet der „Gipfel der Alternativen“. Was noch?

Sicherheitskonzept für G20-Gipfel: De Maizière stellt alles sicher

Bei seinem Besuch in Hamburg gibt sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière zuversichtlich über das Sicherheitskonzept.

Newsübersicht der Tage vor dem G-20-Gipfel in Hamburg: Gerangel um Parks und Straßen

In den Tage vor dem G20-Treffen in Hamburg stritten sich Polizei und Gipfelgegner vor allem um die Camps. Die News von Sonntag bis Dienstag vor dem G20-Treffen.