taz.de -- FPÖ will Kopftuchverbot verschärfen: Kein Hijab im Kindergarten

Österreichs Vizekanzler Strache (FPÖ) will ein Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen. Juristisch ist das umstritten.
Bild: Ob mit oder ohne Kopftuch: Beim gemeinsamen Spielen macht das keinen Unterschied

WIEN taz | Österreichs Regierung will Mädchen im Kindergarten und in der Volksschule das Tragen eines muslimischen Kopftuchs untersagen. Der Vorstoß ging von [1][Vizekanzler Heinz-Christian Strache] (FPÖ) aus, der sich in Sachen Gesichtsverhüllung längst in einem Boot mit Deutschlands Paradefeministin Alice Schwarzer findet. Ob ein solches Verbot notwendig ist? Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) musste zugeben, dass es sich beim angesprochenen Problem um kein Massenphänomen handle. Zahlen hat er keine parat: „Ich kann Ihnen aber sagen, dass es ein zunehmendes Phänomen ist.“

Für Carla Amina Baghajati, Frauenbeauftragte der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, ist das Kopftuch in der Grundschule jedenfalls ein „Randthema“. Die kopftuchtragende Konvertitin hält schon die Debatte für kontraproduktiv. Sie plädiert für Aufklärung statt Verboten, denn nach gängiger islamischer Auslegung bedürfe es für das Anlegen des Kopftuchs der „geistigen und körperlichen Reife“.

Mit der Ausarbeitung der Gesetzesvorlage ist das Ressort von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann betraut. Faßmann nennt es „eine symbolische Handlung“, die signalisieren solle, dass Österreich ein säkularer Staat sei.

Unter Juristen ist es umstritten, ob die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit eine solche Einschränkung zulässt. Menschenrechtsexperte Manfred Nowak sieht das Verbot problematisch: „Was ich anziehe, ist ein Teil meiner Meinungsäußerung.“ Der Staat müsse dafür starke Argumente vorbringen: „Womit soll er aber argumentieren? Mit der nationalen Sicherheit?“ Minister Faßmann will jedenfalls ein Rechtsgutachten einholen, bevor er sich an die Ausformulierung des Gesetzes macht.

Migrationsforscher befürwortet Verbot

Da die Kindergärten in die Kompetenz der Länder fallen, braucht die Regierung eine Verfassungsmehrheit für eine einheitliche Regelung. Die könnten ihr die liberalen Neos oder die SPÖ liefern. SPÖ-Chef Kern will die Zustimmung seiner Fraktion aber nicht gratis versprechen: „Reden wir über ein Paket, das echt was bringt.“ So müsse die Regierung die Einsparungen bei Integrationsmaßnahmen und -lehrern zurücknehmen und den Ausbau der Ganztagsschulen nicht weiter hinausschieben.

Klar für das Verbot spricht sich der Migrationsforscher und Soziologe Kenan Güngör aus. Betroffen sei nur eine sehr kleine Gruppe von Mädchen, die „aus besonders streng religiösen – bis fundamentalistischen – Familien“ stammten. Für sie würde das Kopftuchverbot aber eine Entlastung bringen, wenn „die Schule einen Schutzraum bietet“.

5 Apr 2018

LINKS

[1] /Vordenker-Strache-und-die-FPOe/!5455268

AUTOREN

Ralf Leonhard

TAGS

Kopftuch
Österreich
Heinz-Christian Strache
Kopftuchverbot
Kopftuchverbot
Mädchen
Religionsfreiheit
Kopftuchverbot
Österreich
Kopftuchverbot
Integrationsgesetz

ARTIKEL ZUM THEMA

Für Schülerinnen unter 14 Jahren: Hamburger CDU will Kopftuchverbot

Die CDU streitet auf ihrem Landesparteitag über das Tragen von Kopftüchern in der Schule. Eine große Mehrheit stimmt für ein Kopftuch-Verbot für Kinder unter 14 Jahren.

Kommentar Kopftuchverbot für Mädchen: Mädchen stark machen

Statt einem Verbot: Mehr Förderung für Mädchen, die zu Hause gegängelt werden. Das wäre die angemessene Antwort auf das Kopftuchproblem.

Kommentar Kopftuchverbot in Kitas: Ein Zeichen gegen das Mittelalter

Das Kopftuch hat in unseren Kitas und Schulen rein gar nichts zu suchen. Es degradiert auch sehr junge Frauen bereits zu Sexualobjekten.

Widerspruch gegen Kopftuchverbot: Ein Verbot wäre diskriminierend

Soll der Staat jungen Mädchen das Tragen von Kopftüchern verbieten? Die Bundesregierung reagiert skeptisch auf einen NRW-Vorstoß.

Debatte in NRW um Kopftuchverbot: Auch FDP-Chef Lindner für Verbot

Aus den Reihen der FDP mehren sich die Stimmen, die Musliminnen unter 14 Jahren das Tragen eines Kopftuchs untersagen wollen. Der Islamrat kritisiert das scharf.

Beleidung eines ORF-Moderators: FPÖ-Chef muss sich entschuldigen

Österreichs Vizekanzler Strache hatte behauptet, der ORF sei eine Fabrik für Fake News. Dafür muss er jetzt 10.000 Euro Entschädigung zahlen.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Kopftuchverbot bestätigt

Rechtsrefrendarinnen darf untersagt werden, in bayerischen Gerichten ein Kopftuch zu tragen. Gegen das Verbot hatte eine Juristin islamischen Glaubens geklagt.

Integrationsbeauftragter im Interview: „Integration ist Chefsache!“

Andreas Germershausen kritisiert das Kopftuchverbot. Der Integrationsbeauftragte Berlins über Wutbürger, sein leises Auftreten und den Islam.