taz.de -- Die „Bild“ gegen Sexismus: Es geht nicht um verletzte Gefühle

Die Bilder von nackten Frauen in der „Bild“-Zeitung sind Geschichte. Aber Sexismus verstanden hat die Redaktion offenbar trotzdem nicht.
Bild: Ab jetzt könnte die BILD statt den „Seite-eins-Miezen“ ja die Seite-drei-Lemuren einführen

Warum Sexismus doof ist? Weil er Leute kränkt, verletzt, traurig macht? Ja, auch. Aber warum behandeln wir Sexismus dann anders als andere Kränkungen? Weil verletzte Gefühle eben nicht der springende Punkt sind.

Die Bild-Zeitung hat beschlossen, künftig auf Bilder von Nacktmodels in ihrer Zeitung zu verzichten. Aus Rücksicht auf die Empfindungen ihrer Leserinnen und Mitarbeiterinnen. „Unser Gefühl in den letzten Monaten war zunehmend, dass viele Frauen diese Bilder als kränkend oder herabwürdigend empfinden, sowohl bei uns in der Redaktion, aber auch unter unseren Leserinnen“, hieß es am Montag aus der Redaktion.

Das ist natürlich ein aufregender Tag für alle, die sich seit Jahrzehnten über die sexistische Bildpolitik der Boulevardzeitung ärgern. 2012 wanderten die Nacktbilder, die damals noch „Seite-eins-Mieze“ hießen, von der Titelseite ins Innere des Blatts. Inzwischen versteht sich Springer als Frauenförderungskonzern und hat wohl begriffen, dass Frauen doch eigentlich viel lieber Konsumentinnen statt Produkt sein möchten.

Schade ist aber die Begründung, die Bild ins Feld führt. Es gibt jede Menge gute Argumente, keine nackten Frauen ohne nachrichtliche Relevanz in eine Zeitung zu drucken. Liberalfeministisches Argument: Weil wir nicht auch nackte Männer zeigen. Strukturfeminismus: Weil Bilder von nackten Frauen zur Unterhaltung männlicher Leser patriarchal sind. Konstruktivismus: Weil die Bilder die Vorstellung vom weiblichen Körper als Ware bestärken.

Immer häufiger aber schwingt bei Debatten um Sexismus und andere Diskriminierungen mit – und darin unterscheidet sich die Springer-Aussage kaum von so mancher linker Debatte –, dass es um „Kränkungen“ oder „verletzte Gefühle“ gehe.

Klar, Sexismus verletzt, aber darum geht es nicht. Die Maxime lautet nicht: Unterlasse, was jemanden verletzen könnte. Sondern: Lass bleiben, was diskriminiert. Und zwar auch dann, wenn niemand eine „persönliche Kränkung“ anmeldet.

Es ist natürlich prima, wenn sich Mitarbeiterinnen und Leserinnen melden und ihren Unmut über die „Miezen“ kundtun. Nicht so prima ist, dass die Bild all die Jahre gewartet hat, um dann so zu tun, als handelten sie auf Wunsch einiger „gekränkter“ Wesen.

12 Mar 2018

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Peter Weissenburger

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Kevin Kühnert

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