taz.de -- Berlinale-Kolumne Was bisher geschah: Der Bechdel-Fail

Es ist ermüdend, immer wieder über Diskriminierung und Sexismus im Film reden zu müssen. Aber es ist nötig, wie eine Berlinale-Deabtte zeigt.
Bild: Den Namen der preisgekrönten spanischen Regisseurin Isabel Coixet kann sich der Moderator nicht merken

Glamour war gestern: Der beige, mit Blümchenmuster verzierte Teppich ist abgelaufen, und der Portier rennt vor lauter Smartphonegucken fast in einen Gast. Aus der Lobby erklingt Klaviermusik. Elton John. Der Pianist guckt entschuldigend. Sein Publikum – Touristen, gelangweilt aussehende Teenager – interessiert sich mehr für die Burger auf seinen Tellern. Das Adlon ist nicht gut gealtert.

In dem Raum, in dem die Veranstaltung stattfindet, einem Ballsaal, hängt ein Bild an der Wand, das Frauen in eng geschnürten Kleidern zeigt, wie sie darauf warten, dass ein Mann sie zum Tanz auffordert. Ausgerechnet hier soll die Frage diskutiert werden, wie das geht – weniger Diskriminierung im Filmgeschäft. Eurimages, ein Filmförderungsfonds des Europarats, hat sich bis zum Jahr 2020 eine 50/50-Quote zum Ziel gesetzt: 50 Prozent der staatlichen Filmfördermittel sollen an Regisseurinnen gehen.

Der Andrang ist groß: rund 120 Gäste. Männer: zehn bis fünfzehn. Ein Mann eröffnet die Veranstaltung – der Chef von Eurimages. Viele der Rednerinnen – Männer sitzen keine auf dem Podium bis auf den Moderator – werden dem Mann später dafür danken, dass er sich so für das Thema engagiere. Das kriegt er leider nicht mit. Direkt nach seiner Rede geht er. Hat sicher Wichtigeres zu tun.

Der Moderator ist schlecht vorbereitet. Mehrfach entfallen ihm die Namen seiner Panelistinnen, darunter zwei preisgekrönte Regisseurinnen: Barbara Albert aus Österreich und Isabel Coixet aus Spanien. Wie man den Namen Letzterer ausspricht, weiß er leider auch nicht. 8 ihrer 19 Filme wurden mit dem spanischen Filmpreis Goya ausgezeichnet.

Ermüdende Diskriminierung

Sie sei müde, immer wieder über Diskriminierung und Sexismus zu reden, sagt sie. Und der pay gap? „56 Tage im Jahr arbeiten wir unbezahlt.“ Ihre österreichische Kollegin ist etwas optimistischer. Immerhin liefen auf Festivals wie London, Toronto und San Sebastián zunehmend Filme von Frauen. Auf der Berlinale sind es im Hauptwettbewerb aktuell 4 von 19 Filmen. „Besser als null wie schon mehrfach in Cannes.“

Elisabeth Prommer von der Uni Rostock hat alle zwischen 2011 und 2016 erschienenen deutschen Kinofilme untersucht – mit einem erschreckenden Ergebnis: Erstaunliche 43 Prozent bestünden nicht den Bechdel-Test. Der überprüft, ob mindestens zwei Frauen vorkommen, ob diese miteinander reden – und ob sie ein anderes Gesprächsthema haben als einen Mann.

Dabei stehe Deutschland international gar nicht schlecht da, sagt Skadi Loist von der Uni Babelsberg: In 75 Prozent aller Filme weltweit tauche maximal eine Frau vor der Kamera auf.

Wie man das löst? Indem Drehbuch und Regie in weiblicher Hand seien, das verdopple fast die Anzahl von Frauen auf dem Bildschirm, so Prommer.

20 Feb 2018

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Lea Wagner

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