taz.de -- Nordkoreanische Herrscherfamilie: Kim Yo Jong unterwegs bei Olympia

Erstmals reist ein Mitglied der Herrscherdynastie nach Südkorea. Die jüngere Schwester des Machthabers wird die Charmeoffensive anführen.
Bild: Kim Yo Jong (Archivbild April 2017)

Die 30-jährige Kim Yo Jong wird während der Winterspiele als erstes Familienmitglied der Herrscherdynastie aus Pjöngjang südkoreanischen Boden betreten. Nordkorea-Beobachter beschreiben Kim Jong Uns jüngere Schwester als liebenswert; als charmante Frau mit burschikosen Zügen. Für die US-Regierung jedoch gilt sie als Mitverantwortliche für die Menschenrechts-verletzungen des Regimes – und steht seit Januar 2017 auf Washingtons schwarzer Liste.

Genau wie ihr älterer Bruder verbrachte auch Kim Yo Jong einige Schuljahre unter falschem Namen im Schweizer Bern. Laut Medienberichten soll sie dort überbehütet mit mehreren Hausdienern aufgewachsen sein. Nachdem die Grundschülerin während des Unterrichts Fiebersymptome zeigte, wurde sie umgehend von einem persönlichen Fahrer in ein Spital kutschiert.

Regelmäßig in der Öffentlichkeit trat Kim Yo Jong erst seit März 2014 auf. Dann jedoch durchlief sie eine politische Karriere im Schnelldurchlauf: Ende 2014 wurde sie als stellvertretende Leiterin in die berüchtigte Propagandaabteilung befördert und inszenierte den Personenkult um ihren Bruder. Der Großteil von Kim Jong Uns Inspektionsbesuchen von Pilzfarmen bis hin zu Vergnügungsparks soll von ihr orchestriert worden sein. Mittlerweile hat Kim Yo Jong laut Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes den Posten der Vizedirektorin beim Organisationsbüro der Partei inne. Sie symbolisiert damit auch einen Generationenwechsel unter den alten Parteikadern, den ihr Bruder mit teils sehr brutalen Exekutionen und Säuberungsaktionen vollzogen hat.

Dass Kim Jong Un ihr blind vertraut, hat vor allem mit der engen Familienbindung zu tun: Im Gegensatz zum Halbbruder Kim Jong Nam, der in Kuala Lumpur von nordkoreanischen Agenten hingerichtet wurde, teilen die beiden dieselbe leibliche Mutter, eine koreanischstämmige Tänzerin aus Japan. Bei den anstehenden Winterspielen in Pyeongchang wird Kim Yo Jong nun Nordkoreas Charmeoffensive anführen.

Ihre Aufgabe: Nordkoreas Image im Ausland weichzuspülen. Das ist ihr am Dienstag am Hafen der nordkoreanischen Küstenstadt Wonsan schon gelungen: Die Bilder, auf denen sie eine nordkoreanische Künstlergruppe beim Borden ihrer Fähre verabschiedet, wurden auch von den südkoreanischen Tageszeitungen abgedruckt.

8 Feb 2018

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Fabian Kretschmer

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