taz.de -- Petition der Woche: 240 Milliarden US-Dollar gesucht

Die Paradise Papers zeigen das Ausmaß an internationaler Steuervermeidung. Gordon Brown, britischer Expremier, fordert: Trocknet die Oasen aus!
Bild: Oberbeauftragter der Bekämpfung von Steueroasen: Gordon Brown

Vielen früheren Spitzenpolitikern fällt es schwer zu erleben, wie der eigene Einfluss schwindet. Einige halten gut dotierte Vorträge, besetzen Talkshowsessel oder wechseln in die Wirtschaft. Hauptsache, im Gespräch bleiben. Auch Gordon Brown, früher britischer Premierminister, übernahm nach seinem Rücktritt Ämter bei den Vereinten Nationen und dem Weltwirtschaftsforum. Seit dieser Woche entpuppt er sich zudem als Oberbeauftragter der Bekämpfung von Steueroasen. Mit einer entsprechenden Petition will er die Massen mobilisieren.

Mehr als ein Jahr lang haben weltweit Journalisten an 13,4 Millionen Dokumenten gearbeitet, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden. In den sogenannten Paradise Papers berichteten sie über ein neues Ausmaß an internationaler Steuervermeidung. Für Aufsehen sorgte dabei vor allem die Tatsache, dass die meisten der enthüllten Praktiken völlig legal sind. Spätestens jetzt sind sich deshalb irgendwie alle einig, dass etwas gegen Steueroasen getan werden muss.

Gordon Brown, der bereits vor acht Jahren daran scheiterte, startet nun einen neuen Versuch. 2009 hatte er als Gastgeber des G20-Gipfels in London die berühmten schwarzen Listen zu Steueroasen im Abschlussdokument verankert.

„Diese bisherigen schwarzen Listen sind jedoch zahnlose Tiger. Die auf dem jüngsten Gipfel in Hamburg aktualisiere Liste enthält genau einen Staat: Trinidad und Tobago. Das kann doch nicht das Ziel sein“, sagt Thomas Hauschild von der NGO Oxfam. Von den Enthüllungen waren Steuerexperten wie Hauschild nicht überrascht: „Swiss-Leaks, Luxleaks, Panama Papers. Es hat in den letzten Jahren so viele Enthüllungen gegeben. Auch die Paradise Papers werden nicht die letzten sein.“

Zumindest dann, wenn auch jetzt nur zaghaft gehandelt wird. Laut einer OECD-Schätzung entgehen den Staaten durch Steuertricks weltweit jährlich 240 Milliarden US-Dollar. „Das sind enorme Summen, die dringend zur Armutsbekämpfung, Gesundheitsversorgung und Frauenförderung gebraucht würden“, sagt Hauschild.

Konkrete Maßnahmen erzwingen

Ironischerweise wurden ausgerechnet in der Zeit, in der Gordon Brown als Premierminister die Downing Street bewohnte, ein Großteil der heutigen Steuerschlupflöcher geschaffen. Erst gegen Ende seiner Amtszeit geriet das Thema der Bekämpfung von Steueroasen auf die Tagesordnung des stets wirtschaftsfreundlichen Politikers.

Jetzt will Brown mit seiner [1][globalen Petition] statt „name and shame“ konkrete Maßnahmen erzwingen. Angefangen bei einem internationalen Abkommen, das Steueroasen verbietet, Sanktionen ermöglicht und Haftstrafen für Steuersünder festsetzt. Die G20, die größten Wirtschaftsnationen dieser Welt, könnten das erreichen, schreibt Gordon Brown.

In nur wenigen Tagen fand sein offener Brief an den aktuellen G20-Vorsitzenden, den argentinischen Präsidenten Mauricio Macri, über eine Million Unterstützer. Demnächst wird Brown seine Petition wie angekündigt auch persönlich überreichen.

Gordon Brown dürfte dieser medienwirksame Schritt gefallen. Dieser Tage erschienen seine Memoiren, in denen er auch den Gipfel von 2009 detailreich beschreibt. Die angestoßene Kampagne dürfte dem Verkauf seines eigenen Papers wohl nicht schaden.

19 Nov 2017

LINKS

[1] http://secure.avaaz.org/campaign/en/paradise_papers_loc/

AUTOREN

David Gutensohn

TAGS

Petition
Paradise Papers
Panama Papers
LuxLeaks
Obdachlosigkeit
Steueroasen
Steueroasen
Paradise Papers
Paradise Papers

ARTIKEL ZUM THEMA

EU kürzt Liste mit Steueroasen zusammen: Schwarz zu grau

Die EU nimmt acht Länder von der schwarzen Liste der Steueroasen. Sie hätten Verbesserungen in ihrem Steuerrecht versprochen.

Urteil zu „LuxLeaks“-Informanten gekippt: Keine Bewährungsstrafe

Das Urteil gegen einen Informanten in der „LuxLeaks“-Affäre um Enthüllungen über Steuervorteile für internationale Großkonzerne wurde aufgehoben.

Petition der Woche: Ein Obdach, auch tagsüber

Morgens um halb zehn werden die Obdachlosen in Hamburg zurück auf die Straße geschickt. Jörg Petersen will, dass sich daran etwas ändert.

Steueroasen in der EU: Böses Panama, braves Irland

Die Europäische Union setzt nur 17 Staaten auf ihre schwarze Liste der Steueroasen. CSU und Linke kritisieren das einstimmig.

EU schont Malta, Irland und Luxemburg: Steueroasen? Welche Steueroasen?

Europa gehen jedes Jahr rund 60 Milliarden Euro an Einnahmen wegen Buchungstricks flöten. Schuld sind Steuerparadiese. Doch einige schont die EU.

Recherche-Projekt „Paradise Papers“: How to megaenthüll

Die „Paradise Papers“ sind ein journalistischer Scoop – und das Thema der Woche. Nur: Wie wertet man diese riesigen Datenmengen überhaupt aus?

Kampf gegen Steueroasen: Legale Steuerfluchten

Die Bundesregierung will die Steuerflucht einschränken. Doch manche ihrer Maßnahmen greifen nicht. Auch das Transparenzregister hat Lücken.