taz.de -- Sexualisierte Gewalt in den Medien: Gegen wütende Fans und Verleger
Über Missbrauchsvorwürfe zu berichten, ist schwer. Oft gibt es kein eindeutiges Gerichtsurteil. Der Journalist Ronan Farrow schreibt trotzdem darüber.
Wenn Frauen Vorwürfe wegen sexualisierter Gewalt gegen mächtige Männer erheben, wird ihnen häufig kein Gehör geschenkt. Die meisten Medien haben ihre Geschichten jahrelang als nicht wichtig genug abgetan. Oder sie hatten zu viel Angst vor schwerwiegenden Konsequenzen innerhalb der Branche. Umso beachtlicher ist der Wandel in der Berichterstattung, der sich derzeit in den USA vollzieht.
Am vergangenen Montag veröffentlichte der Journalist Ronan Farrow im [1][New Yorker] einen Artikel, [2][der neues Licht auf die Machtverhältnisse im Fall Harvey Weinstein wirft]. Weinstein hatte offenbar über ein Jahr lang versucht, [3][Missbrauchsvorwürfe gegen sich] zu unterdrücken. Zu diesem Zweck soll der Hollywood-Produzent die betroffenen Frauen und auch Journalisten, die an der Geschichte arbeiteten, ausspioniert und unter Druck gesetzt haben. Farrow sprach im Zuge seiner Recherche mit sieben Menschen, die in diese Vertuschungsversuche verwickelt waren, und wertete dutzende Dokumente aus.
Dass Farrow sich so intensiv mit einer Macht- und Missbrauchsgeschichte auseinandersetzt, ist ein wichtiger Schritt. Er selbst habe schon erlebt, wie groß der Druck in der Medienbranche ist, solchen Fällen keine Aufmerksamkeit zu schenken, schrieb Farrow Anfang November im Hollywood Reporter. Seine eigene Schwester, Dylan Farrow, hatte 2014 [4][den Missbrauch seines Vaters Woody Allen öffentlich gemacht]. Farrow wollte sich lange Zeit davon distanzieren und vermied es, die Vorwürfe seiner Schwester zu kommentieren.
„Bei sexuellen Übergriffen ist alles einfacher, als direkt damit konfrontiert zu werden und alle Konsequenzen zu ertragen“, schrieb Farrow. Über Vorwürfe zu schreiben sei insbesondere dann schwer, wenn es kein eindeutiges Gerichtsurteil dazu gibt: „Es bedeutet, sich gegen wütende Fans und Verleger zu stellen.“ Inzwischen habe er aber erkannt, dass die Stille, die das Thema sexualisierte Gewalt hervorruft, falsch sei. „Was wir übersehen, wen wir ignorieren, wer eine Rolle spielt und wer nicht sagt viel darüber aus, wer wir als Gesellschaft sind“, so Farrow.
Farrow arbeitet als freier Mitarbeiter für den TV-Sender NBC. [5][Der Sender lehnte seine Geschichte über Weinsteins Spionagenetz ab]. Der Journalist ließ nicht locker und veröffentlichte seine Recherche schließlich im New Yorker. Er wolle daran arbeiten, eine Kultur zu etablieren, in der „Frauen wie meine Schwester nicht mehr behandelt werden, als seien sie unsichtbar“, schreibt Farrow.
10 Nov 2017
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