taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Macht euch mal nützlich, ihr Junkies!
Serien wie „Family Guy“ oder „30Rock“ thematisierten schon vor Jahren die Vorwürfe der sexuellen Belästigung. Doch passiert ist nichts.
Hollywood macht sich gerne selbst zum Thema. Die Entzauberung der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie als eine Mischung aus Haifischbecken und Drogensumpf ist in den letzten Jahren ein wiederkehrendes Erzählmuster geworden, das vor allem Serien gerne aufgreifen.
Im Fall der Belästigungsvorwürfe gegen [1][„House of Cards“-Darsteller Kevin Spacey] haben Fans jetzt eine Szene aus der Zeichentrick-Serie „Family Guy“ ausgegraben. Die Szene stammt aus dem Jahr 2005 und ist nur eine kurze Sequenz, in der das hochbegabte Familienbaby Stewie nackt durch ein Einkaufszentrum rennt und schreit: „Hilfe, ich bin gerade aus dem Keller von Kevin Spacey geflohen.“
Wenig später tauchte eine weitere „Family Guy“-Folge von 2012 auf, in der Hollywood-Produzent Brett Ratner als Kunde bei einer Sexsklavinnen-Auktion parodiert wird. Ratner ist letzte Woche beim Studio Warner Brothers wegen Belästigungsvorwürfen rausgeflogen.
Im Netz wurde schon vorgeschlagen, ein Ermittlerteam solle sich mal alle „Family Guy“-Folgen angucken. Ganz doof ist das nicht. Denn Serien und SerienmacherInnen witzeln immer wieder über sexuelle Belästigung in ihrer Branche. 2012 und 2013 machte das die Comedy-Serie „30Rock“, in der es um das Fernsehgeschäft geht, über Harvey Weinstein. Die Figur Jenna behauptet, dass sie über sexuelle Selbstkontrolle verfügt, weil sie drei von fünf Avancen Weinsteins abgelehnt habe.
„Family Guy“-Erfinder Seth MacFarlane sagte sogar [2][während der Oscarverleihung 2013], an die Nominierten für „weibliche Hauptrolle“ gerichtet: „Ihr fünf Frauen müsst nun nicht mehr so tun, als würdet ihr auf Harvey Weinstein stehen.“
Das Verhalten der Männer war bekannt
All das zeigt zunächst, was die meisten schon geahnt haben: Dass das Verhalten der genannten Männer in der Branche bekannt war. Aber auch: Dass man sich dort gerne selbst thematisiert. Und schließlich: Dass es nichts gebracht hat.
Schließlich werden Vorwürfe wie die gegen Weinstein, Ratner und Spacey [3][erst seit wenigen Wochen ernst genommen], seitdem nämlich Mehrere Schauspielerinnen mit ihren Geschichten an die (nichtfiktionale) Öffentlichkeit getreten sind und es den Hashtag [4][#MeToo] gegeben hat. Bis dahin waren die Fälle so etwas wie Hollywoodhintergrundrauschen – und die satirischen Anspielungen eben auch nur bessere Herrenwitze.
Was also tun? Sich erst mal aufregen, gerne. Und dann ran an die Arbeit. Wie gesagt, Anspielungen auf reale Figuren in der Film- und Fernsehindustrie gibt es schon lange. „South Park“ greift immer wieder Klatsch und Tratsch über Hollywoodgrößen auf, ebenso die „Simpsons“. Und seit gut zehn Jahren werden Serien immer beliebter, die die „Traumfabrik“ zu ihrem zentralen Thema machen.
Neben „30Rock“ sind das etwa „Entourage“ (junger Schauspieler versucht sein Glück in Hollywood), „Bojack Horseman“ (gealterter Sitcom-Star, der außerdem ein Pferd ist, verfällt dem Alkohol und Selbstzweifeln) und „Love“ (zwei Arbeitsbienchen hinter den Kulissen verfallen Alkohol und Selbstzweifeln). [5][Also, liebe Serienjunkies, nützlich machen, angucken – und auswerten!]
11 Nov 2017
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Fall Weinstein hat sensibilisiert: Auch im US-Radio und -Fernsehen müssen Stars gehen, die sexuell übergriffig gewesen sein sollen.
Thea Dorn preist das durch Grapschen freigesetzte künstlerische Potenzial. Die gute alte sexuelle Belästigung sieht sie von Spießigkeit verdrängt.
Viele meckern über eine unglückliche Kamerafahrt bei „Anne Will“. Das ist kleinlich, denn in der Runde am Sonntag lief vor allem vieles richtig.
Zwei weitere prominente Männer werden sexueller Übergriffe beschuldigt. Einer, der Komiker Louis C.K., bestätigt die Vorwürfe.
Die ARD beschäftigt sich am Mittwochabend mit sexueller Nötigung. Doch der Beitrag „Meine fremde Freundin“ ist falsch platziert.
Mehr Männer behaupten, dass Kevin Spacey sie sexuell belästigt habe. Netflix stoppt den Dreh von „House of Cards“. Pfui, soziale Netzwerke!
Der Schauspieler Anthony Rapp sagt, er sei als 14-Jähriger von Kevin Spacey bedrängt worden. Der entschuldigt sich. Warum staunen jetzt alle?
In der #MeToo-Debatte über strukturellen Sexismus sollten die Journalisten bei sich selbst anfangen, sagt unsere Autorin.