taz.de -- Kommentar zur Talfahrt der Berliner SPD: Cool bleiben, nachdenken, handeln
Nach dem Absturz der SPD gibt es gute Gründe, den Kopf des Parteichefs zu fordern – aber noch mehr Gründe, dies genau nicht zu tun.
Nun ist es so weit: Die SPD ist mehreren Umfragen zufolge nur noch drittstärkste Partei hinter CDU und Linken. Gerade mal 18 Prozent der Berliner würden sich – wäre am Sonntag Abgeordnetenhauswahl – ihrer noch erbarmen. Ein Abstieg sondergleichen und ein Anlass mehr, den Kopf des Parteichefs zu fordern.
Doch die SPD tut gut daran, nicht in den Habitus der Profifußballclubs zu verfallen und nun, da es schlecht läuft, den Trainer auszutauschen – aus mehreren Gründen.
Michael Müller ist nicht der glänzende, souveräne, politische Akzente setzende Vorsitzende, den sich Teile der darbenden Partei seit dem Rückzug von Klaus Wowereit wünschen. Aber er ist Regierungschef der rot-rot-grünen Koalition. Ihn jetzt zum Rückzug zu drängen, würde auch diese Regierung infrage stellen und damit der SPD vielleicht die Möglichkeit nehmen, ihre politischen Ziele umzusetzen.
Das Problem ist, dass die Sozialdemokraten und ihre Wählerklientel nicht wissen, welches diese Ziele sind. Generell fehlt der Partei ein Profil: Was kann die SPD, was Linke, Grüne, CDU nicht auch und vielleicht sogar besser können? Das muss die Partei intern klären.
Ihrem Anspruch, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, wird sie in der Praxis nicht gerecht: Die Senatorinnen Sandra Scheeres (Bildung) und Dilek Kolat (Gesundheit), die sich aktiv für sozialen Ausgleich einsetzen, die politische Akzente setzen könnten, sind blass geblieben.
Doch das kann man ändern: Die Partei sollte es einfordern, Müller muss dafür sorgen. Er hat etwas Zeit: Bis zu den nächsten Wahlen sind es – wenn die Koalition hält – vier Jahre. Vielleicht gelingt es der SPD bis dahin auch, sich personell breiter aufzustellen und mehr zu bieten als die inzwischen ermüdende Rivalität zwischen Müller und Fraktionschef Saleh. Nicht jeder Trainertausch bringt automatisch neuen Schwung („Schulz-Zug“): In Berlin fehlen die erfolgversprechenden Alternativen. Ein neuer Chef allein macht noch keine neue Partei.
10 Oct 2017
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Niederlage bei der Bundestagswahl ist noch nicht verdaut. Die SPD schreibt bundesweit Papiere, in Berlin steht Bürgermeister Müller in der Kritik.
Der einflussreiche Abgeordnete Torsten Schneider wirft Berlins SPD-Landeschef Michael Müller Führungsschwäche vor.
Nach der Schlappe bei der Bundestagswahl kämen Berlins Sozialdemokraten nun auch bei einer Abgeordnetenhauswahl nur noch auf den dritten Platz.
Nach dem Wahldebakel der SPD zählt Landeschef Michael Müller die Linke an. Die wiederum bleibt bei ihrem selbstbewussten Kurs. Die Umfragen geben ihr recht.
Die Mehrheit der Berliner will den Flughafen offenhalten. Der rot-rot-grüne Senat will das weiterhin nicht – aber nun mit Brandenburg und dem Bund darüber sprechen.