taz.de -- Entzogene Akkreditierungen beim G20: Das BKA bedauert „Missverständnis“
Das Bundeskriminalamt entschuldigt sich bei einem Journalisten, dem der Zugang zum G20-Pressebereich verwehrt wurde.
Hamburg taz | Es soll wohl eine Art Entschuldigung sein: In einem Brief an den Hamburger Journalisten Adil Yiğit erklärt das Bundeskriminalamt (BKA), warum ihm die Akkreditierung zum G20-Gipfel entzogen wurde. Yiğit war einer der Journalist*innen, die erst zum Pressebereich am G20-Tagungsort zugelassen wurden, dann aber doch nicht rein durften, weil ihr Name auf einer Liste des BKA stand. Das behauptet nun, die Hamburger Polizei habe den Ausschluss zu verantworten. Es habe sich um ein Missverständnis gehandelt.
Das Schreiben des BKA erreichte Yiğit am Donnerstag. „Das Bundeskriminalamt bedauert die Ihnen entstanden Unannehmlichkeiten“, steht darin. Aus einem Eintrag sei zu entnehmen, „dass Sie zu Unrecht abgewiesen wurden“. Yiğit habe zu keinem Zeitpunkt zu den 32 Medienvertreter*innen gehört, denen die Akkreditierung entzogen werden sollte. Das „Missverständnis“ habe sich wie folgt zugetragen: Neben der Liste mit den 32 Journalist*innen gab es noch eine weitere mit 82 Namen. Das hat auch der Senat in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion bestätigt.
Nicht nur Journalist*innen wurden vor dem Gipfel auf ein ominöses „Gefährdungspotenzial“ untersucht, sondern auch alle Logistik-Mitarbeiter*innen, Techniker*innen und Zuständige für Catering und Service am Tagungsort. So kamen 82 Namen von Personen zustande, gegen die das BKA Sicherheitsbedenken hatte, und die es unter „Arbeitsliste Personenüberprüfung“ speicherte.
Nach Darstellung des BKA hätte diese Liste aber nie bei den Kontrollstellen am Pressezentrum landen sollen. Vielmehr habe das BKA die Polizei Hamburg beauftragt, die Liste mit den 32 unerwünschten Journalist*innen an die Hotels weiterzugeben, in denen die Staatsgäste residierten. Aus Versehen habe das BKA der Polizei aber die falsche Liste mit den 82 Namen zur Verfügung gestellt. Das BKA bemerkte den Irrtum noch am selben Tag und holte die Listen zurück.
Darüber hinaus sollte die Hamburger Polizei die Kontrollstellen am Messegelände über die unerwünschten Journalist*innen informieren – und griff hier, laut BKA, eigenmächtig auf die falsche Liste zu. Offenbar bemerkte das BKA diesen Irrtum erst jetzt und die Hamburger Polizei gar nicht. Deren Pressestelle konnte sich bis Redaktionsschluss nicht äußern. Auch beim BKA will niemand dazu zitiert werden.
Yiğit glaubt die Geschichte vom Missverständnis nicht. Er berichtet auf der Nachrichtenwebsite „Avrupa Postası“ kritisch über die Türkei. „Mein Ausschluss ist kein Zufall – ich bin dem türkischen Geheimdienst unbequem“, sagt er. „Warum sonst sollte es so lange gedauert haben, bis das BKA ihn informierte?“, fragt er. Und antwortet selbst: „Sie mussten sich erst eine Geschichte ausdenken.“
Der Jurist Wolfgang Kreider, der bei Ver.di für die entzogenen G20-Akkreditierungen zuständig ist, findet das Vorgehen des BKA „rechtlich höchst fragwürdig“. „Es ist völlig unklar, wer auf welcher Grundlage welche Entscheidungen getroffen hat“, sagt er. Gegen das Bundespresseamt läuft eine Sammelklage vor dem Verwaltungsgericht Berlin.
6 Oct 2017
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Beim G20-Gipfel wurde dem Journalisten Adil Yiğit die Akkreditierung entzogen. Drei Jahre später räumt Hamburgs Polizeipräsident Fehler ein.
Den beiden freien Journalisten war nachträglich die Akkreditierung beim G20-Gipfel entzogen worden. Einem Gericht zufolge war das nicht rechtmäßig.
Der Erdoğan-kritische Journalist Adil Yiğit lebt seit über 30 Jahren in Deutschland. Jetzt droht ihm die Abschiebung. Ein Gespräch über hartnäckige Hoffnungen.
Weil Beamte ein Memo nicht erhielten, beschlagnahmten sie beim G20-Gipfel Pressekarten. Das war rechtswidrig, sagt ein Gericht.
Der Entzug von Akkreditierungen geschah anhand von Listen, die das BKA längst zurückgezogen hatte. Die Polizei merkte das zu spät.
Die Hamburger Polizei hat keine Beweise für einen geplanten Hinterhalt im Schulterblatt am 7. Juli und sieht sich trotzdem im Recht.
Für einen Hinterhalt im Schanzenviertel beim G20-Gipfel gibt es keine Beweise. Die Polizei sah bei der Randale lange zu. Eine bewusste Eskalation?
Berliner Polizei versorgt das Bundeskriminalamt mit Daten über linke und rechte „Tatverdächtige“. Linken-Politiker kritisiert die Praxis.
Das BKA löscht Daten im Skandal um die Presseakkreditierungen beim G20-Gipfel. Eine Rekonstruktion wird so erschwert.
Journalisten wurden beim G20 die Akkreditierungen entzogen. Das BKA verteidigt nun die Datengrundlage für die Entscheidung.
CSU-Innenexperte Mayer sieht „Handlungsbedarf“, Justizminister Maas fordert Aufklärung über den Datenmissbrauch beim BKA vor dem G20-Gipfel.
Wer der Polizei einmal auffällt, kann dauerhaft in einer Datenbank landen. Dafür reichen Nichtigkeiten. Das wird jetzt endlich skandalisiert.
Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert eine schleppende Aufarbeitung von Polizeigewalt gegen Journalisten beim G20-Gipfel.
Von keinem der vor dem G20-Gipfel beschuldigten Journalisten ging eine Gefahr aus. Von Bundespresseamt und BKA hingegen schon.
Das BKA entschuldigt sich bei JournalistInnen, denen in Hamburg die Akkreditierung entzogen worden war. Nicht alle haben bisher eine Aufkunft erhalten.
Ein Hamburger Polizeireporter wurde zu Unrecht vom G20-Gipfel ausgeschlossen, gibt nun das BKA zu. Der Verfassungsschutz machte falsche Angaben über ihn.