taz.de -- Wahlabend im Fernsehen: Eröffnung des Schlussaktes
Wer am Sonntagabend den Fernseher angemacht hat, sah wieder mal viel, viel AfD. Aber die Öffentlich-Rechtlichen sind natürlich nicht schuld.
Den ersten Treffer landet die AfD. Wieder einmal. Schon kurz bevor die Prognose um 18 Uhr bekanntgegeben wird, sieht man bei den Schalten zu den Wahlpartys, wie sich Alexander Gauland auf der Bühne bereit macht.
Wenige Augenblicke nachdem die AfD auf 13 oder 13,5 Prozent geschätzt wurde, geht Gaulands Rede los. Als dann wieder die Runde gemacht wird – von Wahlparty zu Wahlparty, von Gewinnern zu Verlierern – steht überall nur ein Reporter oder eine Reporterin im Bild. Dahinter ein paar Parteianhänger. Jubel. Enttäuschung. Austauschbar. Business as usual.
Außer bei der AfD, denn da steht ja schon einer auf dem Podium und hält eine Rede von „jagen“ und „unser Land“ und „unser Volk“ – und es wirkt. Nirgends – zumindest fühlt es sich so an – bleibt die ARD kurz nach 18 Uhr länger zu Gast als bei der Alternative für Deutschland.
Die Rede ist unangenehm wie immer, doch der Zug clever: Viele ZuschauerInnen werden sich kurz vor sechs vor den Fernseher gesetzt haben – und viele werden sich kurz nach sechs wieder ihrem Abendbrot, ihren Kindern, ihrem Hund zuwenden, und erst später, wenn die Hochrechnungen konkreter werden, wieder einschalten. All diese Leute werden Laschet und Kramp-Karrenbauer und Kretschmann und Kauder und Oppermann und Wagenknecht verpassen, aber Gauland werden sie gehört haben.
Verpassen werden sie auch, wenn sie ARD und ZDF schauen, einen Großteil der immer [1][massiver werdenden Proteste am Berliner Alexanderplatz, wo die AfD feiert]. Das ZDF schaltet für ein paar Augenblicke hin, zeigt Bilder, „die AfD kriegt ein ernsthaftes Problem“, sagt der Reporter. Da passiert gerade was.
Na, dann schaltet das ZDF natürlich weg. Lieber eine Reporterinnenstimme aus Brüssel. Wie kommt das Ergebnis aus Deutschland eigentlich vermutlich in der EU an?
Krawall, Krawall
Aber wofür gibt es denn die Krawallsender N24 und n-tv? Die waren schon bei den Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg näher dran und länger drauf. Und klar, n-tv enttäuscht nicht. „Ganz Berlin hasst die AfD!“, schallt es hinter dem Reporter. Auch N24 zeigt jetzt Livebilder. Beim ZDF zeigen sie nochmal ein paar Bilder aus dem Adenauer-Haus.
Nur gut, dass ARD und ZDF überraschenderweise die krawalligste Sendung selbst im Programm haben: die „Elefantenrunde“.
Martin Schulz ledert gegen die Kanzlerin: Deren Wahlkampf sei „skandalös“ gewesen, sie habe ein Vakuum erzeugt, das Ergebnis sei eine „verdiente Niederlage“ für die Union, sie müsse sich jetzt „Gedanken machen“. Als er von den Moderatoren Rainald Becker und Peter Frey unterbrochen wird, platzt ihm fast der Kragen: „Es reicht, wenn man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ständig irgendwelche sonstigen Lektionen erteilt bekommt, jetzt führ ich mal meinen Satz zu Ende.“
Und wo er so in Fahrt ist, unterbricht Schulz anschließend auch noch Angela Merkel. Zwei Mal. Seit 2005 sah Merkel selten so bedröppelt aus wie in diesem Moment. Das soll ihr Noch-Koalitionspartner und Kuschelgegner, der liebe Martin sein? Schulz feixt.
Tja, da war wohl einer im Gerd-Schröder-Elefantenrunde-Intensivkurs.
AfD, AfD
Und es geht so weiter: FDP-Lindner gegen Schulz: „Helmut Schmidt hätte sich geschämt.“ Die Grüne Göring-Eckardt gegen AfD-Meuthen: „Sie haben kein Recht, die Debatte zu bestimmen, und auch nicht so zu tun, als ob Sie des Volkes Stimme sind. Das sind Sie nicht, Herr Meuthen.“ CSU-Herrmann gegen die Moderatoren: „Die Hälfte der Sendezeit beschäftigt sich wieder nur mit der AfD!“, schimpft er. „Humbug“ sei das.
„Ich wollte gerade was anderes fragen“, sagt ZDF-Mann Peter Frey kleinlaut. Und Rainald Becker von der ARD sekundiert: „Heute Abend mit dem Finger auf die Öffentlich-Rechtlichen zu zeigen, das ist eigentlich ein bisschen schwach. Außerdem sind sie alle auf dieses Thema eingestiegen.“
21.16 Uhr. Die „Tagesthemen“. Gong. „Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“, ruft Alexander Gauland den ARD-Zuschauern zu.
Und so eröffnet die Partei, für die 87 Prozent der Wahlberechtigten nicht gestimmt haben, auch den Schlussakt. Aber: An diesem Abend mit dem Finger auf die Öffentlich-Rechtlichen zu zeigen, wäre natürlich ein bisschen schwach.
[2][Lesen Sie mehr zur Bundestagswahl 2017 in unserem Schwerpunkt]
25 Sep 2017
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