taz.de -- DIW-Studie zu „Sexuality Pay Gap“: Lohnlücke betrifft auch Schwule

Ungleiche Bezahlung für gleiche Leistung betrifft nicht nur Frauen. Homosexuelle Männer verdienen in Deutschland deutlich weniger als heterosexuelle Männer.
Bild: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Schön wär’s

Berlin dpa | Schwule Männer bekommen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Schnitt einen geringeren Stundenlohn als heterosexuelle. Die Differenz beim realen Brutto-Stundenlohn betrage rund 2,14 Euro, [1][heißt es in einer Studie], die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Donnerstag in Berlin vorstellt.

Demnach liegt der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn eines heterosexuellen Mannes bei rund 18 Euro. Berücksichtigt man Faktoren wie Alter, Bildung und Branche, verdienen Schwule sogar 2,64 Euro weniger. Die Studienautoren schreiben von einer „Sexuality Pay Gap“ – eine Lohnlücke also, die mit der sexuellen Identität zusammenhängt.

Lesbische Frauen hingegen verdienen dem Bericht zufolge mit rund 16,44 pro Stunde im Schnitt etwa genauso viel wie Schwule und sogar rund zwei Euro mehr als heterosexuelle Frauen. Diese Unterschiede seien aber statistischen Ungenauigkeiten unterworfen und insofern nicht belastbar, sagte Studienautor Martin Kroh.

Mehrere mögliche Gründe für Lohnlücke

Ein statistischer Beweis für Lohndiskriminierung von Homosexuellen am Arbeitsplatz sei mit den Daten nicht erbracht: „Das ist erstmal nur ein Indikator“, sagte Kroh. „Vermutlich gibt es eine Reihe von Erklärungen für die Lohnlücke.“ Laut Studie leisten homosexuelle Männer etwa mehr Überstunden als heterosexuelle – das drückt den Stundenlohn und könnte ebenfalls eine von vielen Erklärungen sein.

Für die Studie stützen sich die Autoren auf Daten des sogenannten Sozio-ökonomischen Panels, einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage, die das DIW einmal im Jahr deutschlandweit durchführt. Dabei werden neben dem Einkommen, dem Beruf, der Bildung und der Gesundheit auch die sexuelle Orientierung abgefragt. Die Studie beruht auf der Auswertung der Fragebögen von knapp 460 LGBs (englisches Kürzel für Menschen mit lesbischer, schwuler oder bisexueller Identität) sowie mehr als 39.000 Heterosexuellen.

Die Lebenssituation Homosexueller unterscheidet sich auch in anderen Bereichen zum Teil deutlich von der Lage Heterosexueller, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag) berichten. So habe die DIW-Studie ergeben, dass Menschen, die sich offen als schwul, lesbisch oder bisexuell bezeichnen, im Vergleich zu Heterosexuellen im Schnitt besser ausgebildet sind, häufiger allein leben und sich im Privatleben eher auf Freunde als auf Familienangehörige verlassen.

Studienautoren bemängeln schlechte Datenlage

Nach Schätzungen des DIW bezeichnen sich demnach derzeit knapp zwei Prozent der Erwachsenen in Deutschland als homo- oder bisexuell. Die Studienautoren bemängeln, dass es bislang nur sehr wenige Daten über Schwule und Lesben gibt. Sie fordern dem Zeitungsbericht zufolge deswegen, die Sozialberichte der Bundesregierung um das Merkmal der sexuellen Orientierung zu erweitern.

Auch der Bundesverband der Schwulen und Lesben in Deutschland beklagt eine große Informationslücke. „Wir haben unzählige Umfragen, in denen gezielt nach Diskriminierung von Schwulen und Lesben gefragt wird“, sagte Verbandssprecher Markus Ulrich der Deutschen Presse-Agentur. „Aber über andere Aspekte wissen wir noch gar nichts, etwa was das Alltagsleben oder auch die Gesundheit von LGBs angeht.“

Über die Gründe der Lohnlücke kann allerdings auch Ulrich nur spekulieren. „Die Studie differenziert leider auch nicht weiter innerhalb der LGBs“, sagte er. „Was ist etwa mit schwarzen Homosexuellen? Man wird auch über Rassismus noch mal reden müssen.“

„Eine faire und gerechte Bezahlung, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder eben auch sexueller Orientierung ist nicht nur aus ethischen Gründen geboten“, sagte die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Personalführung, Katharina Heuer. Der Verein gilt als Karrierenetzwerk im Personalbereich. „In Zeiten des Fachkräftemangels kann sich kein Arbeitgeber Diskriminierung, in welcher Hinsicht auch immer, leisten.“

31 Aug 2017

LINKS

[1] https://www.diw.de/de/diw_01.c.563725.de/themen_nachrichten/die_lebenssituation_von_lesben_schwulen_und_bisexuellen_bevoelkerungsrepraesentative_befunde_zur_vielfalt_in_deutschland.html

TAGS

Gender Pay Gap
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Studie
DIW
Löhne
Gender Pay Gap
Teilzeit
Bundesrat
Gender Pay Gap
Equal Pay Day
Diskriminierung

ARTIKEL ZUM THEMA

Ungleiche Löhne: Der BBC-Kollegin Carrie Gracie reicht’s

Ihre männlichen Kollegen verdienen das Doppelte. Das wollte die Top-Reporterin der BBC nicht mehr hinnehmen – und verließ ihren geliebten Posten.

Lohnlücke für Homosexuelle: Spekulationen aus der Klischeekiste

Schwule Männer verdienen weniger als Heteros, sagt eine Studie. Ist das ein neuer „Pay Gap“? Das ist nicht das einzige Problem.

Kommentar Recht auf befristete Teilzeit: Zwischen Burundi und Namibia

Bei der Lohngleichheit von Männern und Frauen liegt Deutschland weit hinten. Angela Merkel sorgt dafür, dass es auch dabei bleibt.

Bundesrat stimmt Gesetzen zu: Frauen dürfen mehr wissen

Ab sofort haben Arbeitnehmerinnen ein Recht darauf, zu erfahren, was ihre Kollegen verdienen. Im Bundesrat ging es zudem um die elektronische Fußfessel.

Transparenz von Löhnen in der Praxis: Mut zum Lückeschließen

Der Sportartikelhersteller Vaude hat die Gehälter seiner Mitarbeitenden bereits verglichen – und ist zufrieden mit dem Ergebnis.

Equal Pay Day 2017: Die Lücke der Lücke

Rechnerisch arbeiten Frauen bis zum 18. März kostenlos. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen neuen und alten Bundesländern.

Lohndiskriminierung in Deutschland: Frauen arbeiten viel, verdienen wenig

Deutschland schneidet beim Thema Lohngleichheit in der EU schlecht ab. Eine neue Studie belegt die Gender-Diskriminierung von GrundschullehrerInnen.