taz.de -- Berliner Wochenkommentar I: Flughäfen beflügeln den Wahlkampf
Mit ihrem Verweis auf die Rechtslage und dass deswegen Tegel geschlossen werden müsse, bringt die Bundeskanzlerin die Berliner CDU in Bedrängnis.
Gäbe es die fertigen und unfertigen Berliner Flughäfen nicht, wäre der Wahlkampf wohl niemals in Schwung gekommen. Dank BER und Tegel erhielt die politische Debatte diese Woche aber ordentlich Auftrieb.
Am Montag stellte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup einen Masterplan zum Ausbau des BER vor. 2035 sollen dort 55 Millionen Passagiere abgefertigt werden können. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) erklärte am Mittwoch, für welche tollen Sachen man das Tegel-Gelände nutzen könnte – als Technikstandort und für 5.000 Wohnungen. Und dann gab es auch noch einen neuen Terminplan für den BER – der demnach frühestens 2019 eröffnet. Wenn alles klappt.
Vor allem aber mischte sich Kanzlerin Angela Merkel herself in die Flughafendebatte ein – erst im „ZDF-Sommerinterview“, dann in der Bundespressekonferenz. „Dass Tegel geschlossen werden muss, das ist die Rechtslage“, sagte sie.
Die Berliner CDU bringt die Parteivorsitzende mit ihren knappen Statements heftig in Bedrängnis. Bis vor Kurzem, als sie noch mitregierten, hatten die Berliner Christdemokraten ja selbst behauptet, Voraussetzung für die Genehmigung des BER sei die Schließung Tegels. Erst in diesem Jahr schwenkte die hiesige CDU-Führung um: Man könnte die Dinge auch ändern, die rechtlichen Risiken seien überschaubar.
Wenn die Kanzlerin nun selbst an der Schließung festhält, verstärkt das den Eindruck, die Berliner CDU habe ihr Fähnchen wider besseres Wissen nach dem Wind gehängt – weil sie viele TXL-Fans in den eigenen Reihen hat, weil sie der FDP den Triumph nicht allein gönnt. Und weil ein erfolgreicher Volksentscheid für die Offenhaltung Tegels dem rot-rot-grünen Senat tatsächlich ziemlichen Ärger machen würde.
Für den Senat und alle anderen Tegel-Gegner sind Merkels Äußerungen unverhoffter Rückenwind. Die erneute Verschiebung der BER-Eröffnung bläst ihnen wiederum frontal ins Gesicht, gibt sie doch all jenen Recht, die sagen, Berlin brauche den innerstädtischen Flughafen noch.
So beflügelt das Flughafenthema den Wahlkampf. In einer im Mai veröffentlichten Umfrage sprachen sich 59 Prozent für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel aus. Ende August sank der Anteil auf 55 Prozent. Auch wenn den TXL-Freunden noch nicht der Wind aus den Segeln genommen ist: Es könnte beim Volksentscheid doch spannender werden als gedacht.
2 Sep 2017
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Flughafenchef Lütke Daldrup stellt seinen BER-Masterplan vor, mit Platz für bis zu 55 Millionen Passagiere und einem neuen Viertel.
Der Schlingerkurs der CDU zum Flughafen Tegel gerät endgültig zur Farce. Das dürfte die Partei ordentlich Wählerstimmen kosten.
Von oben donnert der nächste Airbus. Elf Stunden täglich verbringt Frank Müller zwischen Fritteuse und Ausschank am Kutschi.
Die Justizverwaltung unter Senator Dirk Behrendt (Grüne) stellt ein Rechtsgutachten zur Offenhaltung des Flughafens Tegel vor.
Die Umfragewerte für die Tegelfreunde sind im Sinkflug. Vor allem die CDU rudert sichtbar zurück. Landeschefin Grütters schweigt beharrlich.
Immer wieder wird gesagt, der BER sei für die steigenden Passagierzahlen viel zu klein. Dabei wäre es nur vernünftig, den Flugverkehr zu begrenzen.
Wenn der Flughafen Geschichte ist, soll in Tegel nicht nur ein Gewerbegebiet entstehen, sondern auch ein innovatives Quartier.
Beginnt jetzt endlich der Wahlkampf? Vielleicht. Sicher kommen diese Woche: Stummfilmnächte, blinde Kicker und ein Besuch bei Merkel.