taz.de -- Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2017: Entscheidungshilfe mit Tücken

Für Unentschlossene gibt es auch dieses Jahr wieder den Wahl-O-Mat. Die Übereinstimmung mit einer Partei könnte aber größer scheinen, als sie ist.
Bild: Überraschung: Alle Generalsekretäre der Bundestagsparteien kannten ihr Wahlprogramm gut

Berlin taz | Am Mittwoch ist der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zur Bundestagswahl 2017 online gegangen. Er soll Wählern eine Orientierung bei der Stimmabgabe bieten: Nutzer geben ihre Meinung zu 38 Thesen ab, die sie anschließend mit den Positionen der Parteien vergleichen können. So erfährt man, welchen Parteien man inhaltlich nahesteht und wie diese Parteien zu Themen von der Obergrenze für Flüchtlinge bis zum Gottesbezug im Grundgesetz stehen. Den Wahl-O-Mat gibt es auch auf [1][taz.de (rechte Spalte)].

Der Wahl-O-Mat gilt als Erfolgsgeschichte. Zur letzten Bundestagswahl hatte er 13,3 Millionen Zugriffe, am Mittwoch war das Interesse nach dem Start offenbar so groß, dass der Server die ersten Stunden immer wieder streikte. Während der Pressekonferenz spielten die Generalsekretäre der Bundestagsparteien den Wahl-O-Mat durch. Die Ergebnisse waren so wenig überraschend wie der bisherige Wahlkampf: Alle erzielten bei ihrer eigenen Partei hohe Übereinstimmungswerte. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kennt das Programm seiner Partei offenbar auswendig und erreichte 100 Prozent Übereinstimmung.

CDU-Generalsekretär Tauber verzichtete auf die Vollständigkeit aller Bundestagsparteien und ließ sich statt der Linken die Übereinstimmungen mit der FDP anzeigen – auch die AfD ließ er außen vor. „Ich bleibe bei den klassischen demokratischen Parteien, alles andere liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft“, sagte Tauber. 99 Prozent Übereinstimmung mit CDU und CSU verzeichnete Tauber – und jeweils rund 70 Prozent für SPD und FDP. Das sei jedoch noch keine Koalitionsvorschau, betonte er, denn die hänge von gegenseitigem Vertrauen ab – nicht nur von den Inhalten, die der Wahl-O-Mat misst.

Dass Sympathien für einzelne Parteien oder Spitzenkandidaten außen vor bleiben, sei eine Stärke des Wahl-O-Mats, sagte Thomas Krüger, Präsident der bpb, bei seiner Eröffnungsrede. Dennoch bleibt den Parteien Spielraum, um ihre Inhalte zu entschärfen oder zu beschönigen. So fällt auf, dass Parteien bei einigen Antworten neutral blieben, obwohl ihre Positionen eigentlich klar in eine Richtung tendieren.

Bei der Frage nach der Vermögenssteuer geben sowohl SPD als auch CDU/CSU an, neutral zu sein, obwohl die SPD laut ihrer angehängten Begründung im Wahl-O-Mat eigentlich deutlich dafür und CDU/CSU deutlich dagegen sind. Eine neutrale Antwort wird nicht als Gegensatz zu einer anderen Position gewertet und führt daher zu einer erhöhten Übereinstimmung mit Nutzern, die eigentlich andere Meinungen vertreten.

31 Aug 2017

LINKS

[1] /Schwerpunkt-tazwahl17/!t5007549/

AUTOREN

Tanya Falenczyk

TAGS

Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Wahl-O-Mat
Wahl-O-Mat
Schwerpunkt Europawahl
Wahlkampf
Lesestück Recherche und Reportage
Bedingungsloses Grundeinkommen
Wahlkampf
Schwerpunkt AfD

ARTIKEL ZUM THEMA

Künstliche Intelligenz und Wahl-O-Mat: Linksgrün versiffte Intelligenz

Ein Boulevardblatt hat herausgefunden: Die KI, die auf neutral tut, tickt eigentlich linksgrün! Warum das kein Skandal, sondern Grund zur Freude ist.

Gerichtsbeschluss zu Online-Wahlhilfe: Wahl-O-Mat ist ungerecht

Der Wahl-O-Mat soll kleinere Parteien benachteiligen, das sagt das Verwaltungsgericht Köln. Gegen den Beschluss sind noch Rechtsmittel möglich.

Was wählen bei der Bundestagswahl?: Vielleicht hilft Tarot

Unsere Autorin wurde kürzlich eingebürgert. Dieses Jahr darf sie zum ersten Mal wählen. Nur: Wohin mit dem Kreuz?

Bundestagswahlkampf in der Diaspora: Kandidat Stader, kein Besserwessi

Ein rheinländischer Katholik im Osten: SPD-Mann Stefan Maria Stader möchte das Vertrauen der Wähler in Dessau–Wittenberg zurückgewinnen.

Victoria Meneses über Grundeinkommen: „Wir führen keine Modelldiskussion“

Die Spitzenkandidatin der Partei für Grundeinkommen über Existenzängste, Karrierewünsche und Koalitionsgedöns.

Die Wahrheit: Ballistol statt Goldkrone

Vor der Bundestagswahl lohnt ein Blick in den politischen Backstage-Bereich. Jeder Partei-Protagonist hat seinen persönlichen Tour-Rider.

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Politik tanzt gerade Law and Order vor. Der Staat sollte Wohnungen bauen und Spahn darf alles. Extra: Tipps fürs perfekte Urlaubsvideo.