taz.de -- Kommentar Luftverkehrssteuer: Zypries’ Wachstumslogik

Die Wirtschaftsministerin will die Luftverkehrssteuer abschaffen. Typisch SPD. Sind Arbeitsplätze in Gefahr, ist alles andere zweitrangig.
Bild: Ein Flugzeug der Air Berlin: Für die insolvente Fluggesellschaft gibt es offenbar mehrere Interessenten

Die Forderung von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), die Luftverkehrsteuer abzuschaffen, wirkt auf den ersten Blick merkwürdig. Schließlich ist es keine zwei Wochen her, dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz eine E-Auto-Quote gefordert hat. Wie passt es zusammen, den Einstieg in einen umweltfreundlicheren Straßenverkehr zu fördern und gleichzeitig den umweltschädlichen Flugverkehr billiger zu machen?

Dazu muss man sich einen Moment in die Logik der drei linken Parteien versetzen, die – vereinfacht – so geht: Die Grünen glauben, dass Ökologie und Ökonomie stets zusammenpassen, weil ökologische Innovationen einen neuen Wachstumszyklus auslösen. Die Linkspartei denkt, dass der Kapitalismus zumindest für die Wohlhabenden von selbst funktioniert und man deshalb stets Umverteilung betreiben kann. Die SPD ist vom Gegenteil getrieben: von der Sorge, dass die Wirtschaft nicht mehr wächst und keine Jobs mehr entstehen. Deshalb neigt sie dazu, Firmen zu entlasten.

Schulz’ E-Auto-Quote und Zypries’ Luftverkehrsteuer passen daher gut zusammen: Schulz treiben nicht Ökogedanken, sondern die Sorge um die deutsche Autoindustrie. Bei Zypries hat vielleicht nur Lufthansa zu lange lobbyiert. Aber in der SPD-Denke ergibt ihr Vorschlag Sinn: Denn die Zuteilung des größten Teils von Air Berlin an Lufthansa sichert zunächst Arbeitsplätze in Deutschland.

Aber infolge der dadurch erreichten Fastmonopolstellung der Lufthansa würden die Ticketpreise steigen. Niedrige Flugpreise sind aber der Wachstumsgarant für Städte wie Berlin, denen außer Billigtourismus nicht viel einfällt. Verzichtet der Staat also auf die Steuer, darf Lufthansa mehr kassieren – und die Ticketpreise bleiben dennoch moderat.

35 Jahre ist der Kampf um die Frankfurter Startbahn West nun her, aber wer darauf hofft, dass die SPD heute anders denkt, hofft vergebens. Wo Arbeitsplätze in Gefahr sind, sollen Anwohner und Umwelt bezahlen.

22 Aug 2017

AUTOREN

Martin Reeh

TAGS

Air Berlin
Luftverkehr
Wirtschaftsförderung
Brigitte Zypries
Air Berlin
Luftverkehr
Air Berlin
Air Berlin
Air Berlin
Air Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Wir retten die Welt: Fairberlin, der Teuerflieger

Fliegen ist umweltschädlich, weiß ja jeder. Dennoch bringen uns Billigairlines in den Urlaub. Eine ökologische Airline, das wäre doch mal was.

Zerschlagung der Fluglinie beginnt: Air Berlin-Mitarbeiter auf Jobsuche

Gläubiger beraten über die Zukunft der insolventen Airline. Gleichzeitig sucht die komplette E-Commerce-Abteilung online einen neuen Arbeitgeber.

Das war die Woche in Berlin II: Ganz harte Landung

Schon lange lief wenig rund bei der Fluggesellschaft Air Berlin. Trotzdem: Die Nachricht von der Insolvenz überraschte.

Kommentar Pleite von Air Berlin: Am Himmel wird sich wenig ändern

Die Bundesregierung sichert vorerst den Betrieb von Air Berlin, das ist gut für die Kunden. Der unselige Trend zum (Billig-)Flugverkehr bleibt.

Fluglinie meldet Insolvenz an: Bundesregierung will Airberlin retten

Der Großaktionär Etihad kündigt Airberlin die finanzielle Unterstützung. Nun springt der Bund mit Geld ein, womöglich wird die Lufthansa Teile übernehmen.

Bürgschaft für Air Berlin?: Kaum Aussicht auf Staatsknete

Die hoch verschuldete Fluglinie Air Berlin will eine Landes-Bürgschaft. Der Senat prüft, aber Politiker der Koalition halten wenig von diesem Ansinnen.