taz.de -- Kritik an Humboldt-Forum-Konzept: „Das ist wie Tschernobyl“
Das Humboldt-Forum weigere sich, sich mit der Geschichte seiner Sammlungen ernsthaft auseinanderzusetzen, kritisiert ein ehemaliges Beiratsmitglied.
Berlin dpa | Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, bis vor Kurzem Mitglied im Beirat des Humboldt-Forums, hat scharfe Kritik an dem Projekt geübt. Das Humboldt-Forum und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz weigerten sich, die Geschichte ihrer Sammlungen offenzulegen. Doch ohne eine Auseinandersetzung mit dem Ursprung der außereuropäischen Kulturzeugnisse dürfe heute kein ethnologisches Museums öffnen, sagte Savoy der Süddeutschen Zeitung.
Sie sei aus Frust über den Umgang mit dem Beirat aus dem Gremium ausgetreten. Der Beirat sei seit 2015 nur zweimal zusammengetreten. Savoy, die an der Technischen Universität Berlin und am Collège de France lehrt, sprach von einem unlösbaren Widerspruch. „Die Architektur signalisiert, dass man Geschichte rückgängig machen kann. Doch den Leuten, die um Rückgabe gestohlener Objekte bitten, erklärt man, Geschichte lasse sich nicht rückgängig machen.“
Das Humboldt-Forum sollte 300 Jahre Sammeltätigkeit „mit allen den Schweinereien und Hoffnungen, die damit verbunden sind“, auf den Grund gehen. „Wenn man Objekte nur ausstellt und nicht mehr intellektuell an ihnen arbeitet, sind sie tot.“ Die Preußenstiftung halte die Geschichte ihrer Sammlungen unter einem Bleideckel „wie Atommüll“, sagte Savoy. „Das Humboldt-Forum ist wie Tschernobyl.“
Die Politik habe sich für den Schloss-Wiederaufbau entschieden, drücke sich aber vor einer kritischen Auseinandersetzung damit. Jetzt versuchten Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Gründungsintendant Neil MacGregor, „zu retten, was noch zu retten ist“, so Savoy.
21 Jul 2017
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