taz.de -- Gleichberechtigung in Afghanistan: Kluge Jungs zeigen Respekt

In der afghanischen Version der Kindersendung „Sesamstraße“ gibt es nun ein emanzipatorisches Vorbild für Jungen.
Bild: Zwei Geschwister für Gerechtigkeit: Sari und Sirak sind die neuen Vorbilder für afghanische Kinder

Seit vierzig Jahren herrscht in dem konservativen muslimischen Land Krieg. Für die weibliche Hälfte der Bevölkerung brachte vor allem die Machtübernahme der Taliban im Jahr 1996 schwere Zeiten mit sich. Die extremistische Regierung verbannte Frauen aus der Arbeitswelt und Mädchen aus den Schulen. Heute geht in Afghanistan ein großer Teil der Mädchen nicht zur Schule, und der Analphabetismus unter den Frauen ist einer der höchsten der Welt.

Doch das Bewusstsein für Gleichberechtigung findet langsam, aber sicher zurück in die Gesellschaft. Zumindest im Kinderfernsehen: Die afghanische Version der Kindersendung „Sesamstraße“ bekommt Zuwachs von Sirak, einem vierjährigen Jungen, dessen Name auf den beiden offiziellen Sprachen Afghanistans, Paschtu und Dari, „klug“ bedeutet. Sirak macht seinem Namen alle Ehre und hat vor allem Spaß am Lernen.

Die weitaus wichtigere Charakterstärke der kleinen Puppe ist jedoch sein respektvoller Umgang mit seiner Schwester Sari. In einem von Männern dominierten Land wie Afghanistan benötige man ein bisschen Nachhilfe im richtigen Umgang mit Frauen, sagte Massood Sanjer, Chef des Senders, der die Serie ausstrahlt, der Nachrichtenagentur AP. Eine männliche Figur, die Frauen respektiert, solle den afghanischen Männern zeigen, dass man seine Schwester genauso respektieren müsse wie seinen Bruder.

Sari, deren Name übersetzt „Schimmern“ bedeutet, ist seit dem letzten Jahr Teil der Sendung. Die Figur der Sechsjährigen wurde als Vorbild für afghanische Mädchen eingeführt. Nachdem das kleine Mädchen von Eltern wie auch Kindern sehr positiv aufgenommen wurde, machte man sich nun an die Figur eines toleranten Jungen. Gemeinsam sollen die Geschwister nun die Zuschauer für Geschlechtergleichheit sensibilisieren.

Auch wenn die Namen – das Mädchen schimmert und der Junge ist klug – noch nicht viel mit Gleichstellung zu tun haben, ist es ja immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, wenn derjenige Junge klug ist, der seine Schwester respektiert. Und vielleicht wird man ja auch bald wieder mehr Mädchen in den afghanischen Schulen glänzen sehen. Aber immer eins nach dem anderen.

17 Jul 2017

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pola kapuste

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