taz.de -- Boko Haram in Nigeria: Massaker an einem Ölforscherteam
Immer wieder meldet das Militär, die dschihadistische Miliz sei besiegt. Nach einem neuerlichen Überfall mit Dutzenden Toten ist das Makulatur.
Berlin taz | Es ist der spektakulärste Schlag von Boko Haram in Nigeria in diesem Jahr, und es beweist, dass die islamistische Terrortruppe längst nicht geschlagen ist. Mindestens 50 Menschen sollen bei einem Überfall auf ein Geologenteam im Nordosten des Landes und anschließenden Kämpfen getötet worden sein. Der Vorfall ereignete sich am Dienstag, aber erst am Donnerstag und Freitag wurden Details bekannt.
Die Geologen der Universität Maiduguri waren im Auftrag der staatlichen nigerianischen Ölgesellschaft NNPC unterwegs, um Untersuchungen im Becken des Tschadsees vorzunehmen. Nigerias Regierung vermutet, dass das Tschadseebecken, das sich Nigeria, Kamerun, Niger und Tschad teilen, fantastische Ölvorräte enthalten könnte, und betreibt seit November ernsthafte Ölsuche. Nigerias Regierung will damit auch unter Beweis stellen, dass der Nordosten des Landes jetzt tatsächlich befriedet ist, nach Jahren des Boko-Haram-Terrors.
Nigerianischen Berichten zufolge wurde das Forscherteam aus neun NNPC-Mitarbeitern und neun Universitätsangehörigen, dazu Wach- und Fahrpersonal, am Dienstag auf der Rückfahrt von einem ungenannten Ort nach Maiduguri gekidnappt. Die begleitende Armeepatrouille wurde überwältigt, berichtete ein Überlebender gegenüber Journalisten. Das Militär schickte nach eigenen Angaben Verstärkung los, begleitet von einem Kampfhubschrauber, und es gab weitere heftige Kämpfe. Am Mittwoch kehrten die Soldaten nach Maiduguri zurück und sagten, sie hätten die Geiseln mitgebracht. Dass viele davon tot waren, stellte sich offenbar erst heraus, als ihre Universitätskollegen sie in Empfang nehmen wollten.
Insgesamt 48 Leichen brachten die Soldaten nach Maiduguri – 18 militärische und 15 zivile Angehörige der Joint Task Force (JTF) des Militärs gegen Boko Haram, fünf Universitätsmitarbeiter und vier Fahrer, dazu sechs andere Tote. Laut dem Augenzeugenbericht wurden 14 weitere JTF-Angehörige an Ort und Stelle bestattet, weil von ihnen keine identifizierbaren Leichenteile mehr übrig waren.
Mehrere Anschläge im Juli
Auf einem Krisengipfel ordnete der amtierende Staatschef Yemi Osinbajo, der seit Mai aufgrund der Dauerkrankheit von Präsident Muhammadu Buhari das Land regiert, die Verlegung des Generalstabs nach Maiduguri an. In den letzten Monaten hatte Nigerias Regierung immer wieder behauptet, Boko Haram sei so gut wie besiegt. Aber im Juli hat es in der Provinzhauptstadt Maiduguri bereits mehrere Selbstmordanschlägen gegeben, nach Monaten der Ruhe. Und die Islamisten sollen auch in ihre einstigen Hochburgen im Sambisa-Wald an der Grenze zu Kamerun zurückgekehrt sein. Seit April habe man schon wieder 108 Luftangriffe auf Boko Haram im Sambisa-Wald geflogen, enthüllte ein Sprecher der Luftwaffe am Donnerstag.
Die Eskalation, sagte der Sprecher weiter, sei auf die Regenzeit zurückzuführen, da sich Terroristen jetzt in der üppigen Vegetation verstecken könnten. Für die Betroffenen dürfte diese Erklärung nicht ausreichend sein.
28 Jul 2017
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