taz.de -- Integration von Geflüchteten in Berlin: „Wir hinken hinterher“
Berlin fehlt eine Strategie zur Integration von Geflüchteten, sagt Rüdiger Kunz vom Roten Kreuz – dafür brauche es ein „kommunales Integrationszentrum“.
taz: Herr Kunz, die Notunterkunft in der Lichtenberger Ruschestraße, im Gebäudekomplex der früheren Stasi-Zentrale, wird zum Monatsende aufgelöst. Nun hat der bisherige Betreiber, das Deutsche Rote Kreuz, eine Idee, was man stattdessen dort machen könnte. Nämlich?
Rüdiger Kunz: Die Idee heißt „kommunales Integrationszentrum“ und kommt aus Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es 54 solcher Zentren, in denen die unterschiedlichen Betreuungsbedarfe von Flüchtlingen zusammengefasst werden. Damit man all denen helfen kann, die inzwischen in eigenen Wohnungen leben und daher nicht mehr auf die Hilfe der Sozialarbeiter in den Unterkünften zurückgreifen können. In den Zentren kann man ihnen ein optimales Partizipations- und Integrationsangebot zur Verfügung stellen.
Was heißt das konkret?
Das betrifft zum einen den ganzen Bereich von Arbeit, darum würden wir da mit den Jobcentern kooperieren. Das betrifft aber auch die unterschiedlichen Partizipationsangebote, also die Teilhabe an der Gesellschaft wie Ehrenämter oder Qualifikationen. Drittens soll es einen Bereich mit psychosozialen Angeboten geben, denn der Bedarf daran ist bei den Geflüchteten zuletzt gewachsen.
Wieso das?
Wenn jemand seit 2015 hier ist und seitdem in Notunterkünften lebt, kann das zu einer Retraumatisierung führen. Das heißt, das Unverständnis über die deutsche Bürokratie, über die eigene Perspektivlosigkeit, kann durchaus zu einer Verschlechterung der emotionalen Verfassung beitragen. Darauf muss man mit entsprechenden Angeboten reagieren.
Aber Berlin hat tausenderlei Angebote für Geflüchtete. Der Senat hat noch unter Rot-Schwarz einen „Masterplan Integration und Sicherheit“ mit vielen Einzelmaßnahmen beschlossen. Es gibt Integrationslotsen, Willkommensbüros, Beratungsangebote noch und nöcher. Reicht das nicht?
Nein, das zerfasert sich eher, da es keine klare Steuerung gibt. Jeder kann ein Angebot machen, dann kommt entweder jemand oder es kommt keiner. Deswegen sind viele Angebote an den Bedarfen vorbei konzipiert. Ich würde mir das so vorstellen, dass man stattdessen wie beim Case Management im medizinischen Bereich eine ganz klare Bedarfsanalyse für den einzelnen Flüchtling macht. Dementsprechend kann dann im Anschluss der Fallmanager dem Betreffenden die passenden Beratungen anbieten. Zum Schluss werden dann die Erfolge dieser Beratungen evaluiert. Aber es bringt nichts, alles im Gieskannenprinzip zu verteilen und am Ende nicht zu wissen, ob unsere vielen Angebote auch wirklich bei den Geflüchteten ankommen.
Finden Sie, dass das bisher der Fall ist?
Unsere Wahrnehmung beim DRK ist schon, dass es hier in Berlin deutlich weniger Flüchtlinge gibt, die in Arbeit und Ausbildung sind, als das in Bayern oder NRW der Fall ist. Wenn man sich die Zahlen von dort anschaut, hinken wir in Berlin in Sachen Integrationserfolg schon hinterher.
Wer soll so ein Integrationszentrum denn organisieren?
Der DRK würde das gerne zusammen mit anderen Sozialträgern, egal ob privat oder gemeinnützig, realisieren. Es gibt zum Beispiel in Berlin sehr gute psychosoziale Spezialisten, es gibt Experten für Kinder- und Jugendarbeit, Fachleute für Migrationsarbeit und weitere wichtige Tätigkeiten, die wir nur zusammen mit anderen Vereinen anbieten können. Die Verbände sollten alle ihre spezielle Expertise einbringen.
Wie finden die Ihre Idee?
Das Thema wurde zwischen uns und verschiedenen potentiellen Partnern besprochen, aber wir brauchen ein klares Interesse des Landes, um die Idee weiterzuentwickeln.
Und was sagt der Senat? Ist Integrationssenatorin Elke Breitenbach nicht begeistert?
Wir haben das Thema in verschiedenen Gremien angesprochen, aber offiziell noch keine Reaktion bekommen. Allerdings kenne ich auch keine anderen vergleichbaren Vorschläge, wie man die Integrationsschancen der Geflüchteten verbessern kann. Darum bin ich ein bisschen ratlos wie es weitergeht.
Wie passt eigentlich der Ort zu Ihrem Vorhaben? Würden Sie dessen Geschichte in Ihr Integrationszentrum integrieren?
Unbedingt!
Haben Sie darüber mit Roland Jahn, dem Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, gesprochen?
Der findet die Idee spannend.
21 Jul 2017
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