taz.de -- Feuerattacke gegen Obdachlosen in Berlin: Haupttäter zu Haftstrafe verurteilt

Ein Obdachloser in Berlin entging im Dezember nur knapp dem Feuer neben seinem Kopf. War es versuchter Mord? Nun gibt es ein Urteil.
Bild: Drei der insgesamt sieben Verurteilten am Dienstag im Gerichtssaal in Berlin

Berlin dpa | Knapp ein halbes Jahr nach der Feuerattacke gegen einen schlafenden Obdachlosen in einem Berliner U-Bahnhof ist der Haupttäter zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Das Berliner Landgericht ließ in seinem Schuldspruch am Dienstag den Vorwurf des versuchten Mordes fallen und verhängte die Strafe gegen den 21-Jährigen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die Attacke am Weihnachtsabend 2016 hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Drei 17 bis 18 Jahre alte Mitangeklagte wurden wegen Beihilfe zu Jugendstrafen von jeweils acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zwei weitere Angeklagte im Alter von 16 und 19 Jahren bekamen wegen unterlassener Hilfeleistung jeweils vier Wochen Arrest und müssen gemeinnützige Arbeit leisten.

Versuchte gefährliche Körperverletzung wiegt aus juristischer Sicht nicht so schwer wie versuchter Mord. Diesen Vorwurf hatte die Staatsanwaltschaft gegen die sechs jungen Männer in ihrer Anklage erhoben. Für den 21-Jährigen hatte die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes vier Jahre Haft gefordert. Dem folgte das Gericht nun nicht.

Den Flüchtlingen aus Syrien und Libyen war vorgeworfen worden, in der Weihnachtsnacht 2016 den Obdachlosen auf einer Bank im Kreuzberger U-Bahnhof Schönleinstraße angezündet zu haben. Fahrgäste löschten die Flammen, der ahnungslose Mann aus Polen blieb unverletzt. Die Angeklagten hatten im Prozess einen Tötungsversuch zurückgewiesen.

Der 21-Jährige gab aber zu, ein Taschentuch in Brand gesteckt zu haben, er habe den Mann aber „nur durch ein kleines Feuerchen aufschrecken wollen“. Seine Begleiter erklärten, sie hätten mit der Tat nichts zu tun.

Ein siebter Mitangeklagter war bereits zuvor zu zwei Wochen Jugendarrest wegen unterlassender Hilfeleistung verurteilt worden.

Dass der Fall so rasch aufgeklärt wurde, lag auch an Aufnahmen aus Videokameras. Nach der Veröffentlichung von Bildern stellten sich die meisten Verdächtigen. Zu erkennen war auf den Aufnahmen, dass die jungen Männer vom Tatort flohen, ohne sich um den Obdachlosen zu kümmern.

13 Jun 2017

TAGS

Flüchtlinge
Kriminalität
Obdachlosigkeit
ARD
Polizei Berlin
Polizei Berlin
Polizei Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
U-Bahn Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Kritik der ARD-Sendung „Hart aber Fair“: Juristische Laien auf Abwegen

Frank Plasberg bewertet emotionale Fälle von Rechtsversagen. Dem Moderator fehlt es an juristischem Fingerspitzengefühl.

Videoüberwachung in Berlin: Polizei überwacht live

Beim Kirchentag wurde am Breitscheidplatz und auf dem Alexanderplatz vier Tage und Nächte flächendeckend gefilmt. Was das bringt, ist unklar.

Feuerattacke auf Obdachlosen: Die Anklage wackelt

Am Dienstag wird das Urteil im Prozess gegen sechs Flüchtlinge erwartet, die einen Obdachlosen angezündet haben sollen.

Feuerattacke auf Obdachlosen: Hilflose Erklärungsversuche

Seit Mai verhandelt das Berliner Landgericht gegen sechs Flüchtlinge wegen versuchten Mordes an einem Obdachlosen. Eine Zwischenbilanz.

Feuerattacke auf Obdachlosen in Berlin: Ein Streich wird ernst

Im Prozess gegen sieben Flüchtlinge bestreiten die Angeklagten eine Tötungsabsicht. Der schlafende Obdachlose war mit einem Schock davongekommen.

Brandanschlag auf Obdachlosen: Schwere Geschütze

Vor dem Landgericht stehen sieben junge Flüchtlinge, die neben einem schlafenden Obdachlosen Feuer gelegt haben sollen. Die Anklage lautet auf versuchten Mord.

Obdachloser in Berlin angezündet: Prozess wegen versuchten Mordes

Nach einem Brandanschlag auf einen Obdachlosen müssen sich ab Dienstag sieben junge Flüchtlinge vor Gericht verantworten – einige sind noch minderjährig.