taz.de -- Kommentar Wahl in Frankreich: Sieg der Unbekannten

Die Parlamentswahl war eine Abrechnung mit den etablierten Parteien. Zu Macrons „En marche“ gibt es fast keine parlamentarische Opposition mehr.
Bild: Die erste Runde ist vorbei

Eines muss man den Französinnen und Franzosen lassen: Sie haben Mut. Denn sie sind drauf und dran, einer Partei eine [1][absolute Mehrheit] zu geben, die vor einem Jahr kaum existierte. Sie schicken in vielen Fällen Leute als Abgeordnete in die Nationalversammlung, die ihnen bisher völlig unbekannt waren. Den Ausschlag, für sie zu stimmen, gab allein ihre Nominierung als VertreterInnen der Bewegung „En marche!“ von Präsident Emmanuel Macron. Dessen Name soll als politische Herkunftsbezeichnung für demokratische Qualität bürgen.

Der offensichtliche Wunsch, dieser Präsidentenpartei nicht nur eine Mehrheit, sondern geradezu eine parlamentarische Vollmacht zu geben, entspringt mehr einem Mut der Verzweiflung und Wut der BürgerInnen über die ihnen nur allzu gut bekannten Parteien, die bisher den Ton angegeben haben. Der erste Durchgang der französischen Parlamentswahlen wird zu einer gnadenlosen Abrechnung mit den „Bisherigen“.

Die Prominenten der vormals unter Präsident Hollande regierenden Sozialisten wurden in ihren Wahlkreisen abserviert wie Neulinge, sie konnten sich in vielen Fällen nicht einmal für die Stichwahl qualifizieren. Den Konservativen erging es nicht viel besser.

Fragwürdig ist es, wenn diese Verlierer nun die relativ schwache Wahlbeteiligung zur ihrer Entschuldigung anführen – oder damit sogar die Legitimität der Sieger infrage stellen wollen. Dass die Opposition in der neuen Nationalversammlung mit ihrer voraussichtlich sehr geringen Sitzzahl auf eine Statistenrolle reduziert wird, ist hingegen ein Problem auch für die Regierung. Denn der Widerstand gegen antisoziale Reformen wird dadurch auf die Straße verlagert. Dort findet zwangsläufig auch der Wiederaufbau und die Wiedervereinigung der französischen Linken statt. „En marche“ hat ihr vorgemacht, dass es sich lohnt, auf eine neue Generation und politische Kühnheit zu setzen.

12 Jun 2017

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Rudolf Balmer

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