taz.de -- „Finis Germania“ von Jury ausgewählt: Ressentiment auf Platz 9
„Finis Germania“ hat es in die Top 10 des „Sachbuch des Monats“ geschafft. Es ist Zeit, über die Entgrenzung nach rechts im Feuilleton zu reden.
Das Sag- und Wählbare hat sich in der Bundesrepublik nach weit rechts verschobenen. Diese Einschätzung geht mit der Erklärung einher, dass der Hass und die Hetze im Internet diese Entwicklung beschleunige. Dass Entgrenzungen im Feuilleton ebenso die Rechtsverschiebung befeuern, wird weniger zügig diskutiert. Eine Nominierung auf [1][der aktuellen Liste des Sachbuchs des Monats] von NDR und Süddeutscher Zeitung offenbart, dass die Mitte sich selbstkritisch hinterfragen muss, wenn sie ernsthaft rechten Ressentiments entgegen treten will.
Auf Platz 9 wählte die 25-köpfige Jury aus renommierten Kulturjournalisten und Wissenschaftlern von Deutschlandradio über FAZ, Zeit und Spiegel bis zum Philosophie Magazin Rolf Peter Sieferles „Finis Germania“.
Der Autor, zu dem selbst die FAZ ob seiner „giftigen rechtsradikalen Bücher“ titelte: „Am Ende rechts“, wählte am 17. September vergangenen Jahres den Freitod. Dem Verlag, im dem der Band erschien ist, dürfte die Ehrung die weitere Etablierung in der Mitte ermöglichen. Das Buch ist im Antaios Verlag des [2][neurechten Publizisten Götz Kubitschek] erschienen.
Im „Kanal Schnellroda“ des „Instituts für Staatspolitik“, das ebenso Kubitschek mit lenkt, wird der Titel gleich einschlägig beworben. „Vergangenheitsbewältigung ist das Thema“, sagt Ellen Kositza in den Podcast und beklagt, dass die Vergangenheit nicht vergehe. Die „skandalisierte“ Rede von Björn Höcke hätte erneut gezeigt, dass diese Vergangenheitsbewältigung uns „noch sehr lange, sehr schwer als Klotz am Bein“ hängen würde.
Sie zitiert aus dem platzierten Buch, das Auschwitz der „letzte Mythos einer durch und durch rationalisierten Welt“ geworden sei, der jenseits der Diskussion stehen würde. Aus der Kollektivschuld, gibt Kositza Sieferle wieder, sei der „Aufruf zur permanenten Buße“ gefolgt. „Vom Schandfleck des ewigen Nazis“ wäre die Erde erst dann gereinigt, „wenn die Deutschen vollständig verschwunden“ seien beziehungsweise wenn sie zur abstrakten Menschheit aufgelöst würden, gibt sie den Autor weiter wieder.
„Ich gebe zu“, sagt Andreas Wang der taz, „dass das Buch die Liste nicht gerade ziert“. Wang war bis 2010 Redakteur des NDR und ist heute Vorsitzender der Jury und kommentiert deren Ergebnisse als freier Mitarbeiter des NDR. Er erklärt, in der Jury hätte es auch „allerlei Diskussion“ gegeben. Er überlege nun mit der Jury „grundsätzlich darüber“ zu sprechen, „ob einzelne Bücher/Titel bei uns ‚verboten‘ werden sollen, weil sie allzu rechts, links oder sonst wie ungeliebt sind“. Der Dreiklang nivelliert die Differenzen – eine unglückliche Diskussionsbasis.
Anmerkung: In einer früheren Version hieß es, Wang sei Kulturredakteur beim NDR. Das ist in der aktuellen Version richtiggestellt.
7 Jun 2017
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