taz.de -- Senat baut mehr Velorouten: Radstreifen in der Kritik

Obwohl manche Radler die markierten Fahrspuren fürchten, baut der Senat weiter. Ängste widersprächen der Statistik, sagt Grünen-Fraktionschef Tjarks
Bild: Wenn doch alle Radwege so breit wären: Teilnehmer der jährlichen Sternfahrt auf der Köhlbrandbrücke

Anjes Tjarks fühlt sich sicher auf den neuen Radstreifen längs der Straßen, die neuerdings viele alte Radwege ersetzen. Damit liegt der Vorsitzende der Grünen Bürgerschaftsfraktion im Trend: Studien bestätigen, dass auf der Fahrbahn geführte Radwege sicherer sind, weil man die Radler besser sieht. Tjarks fühlt also statistisch „richtig“ und wer die Velorouten fürchtet, fühlt „falsch“.

Deshalb will der Politiker den Ausbau der Velorouten, beschlossen 2016 im Bündnis für Radverkehr, kräftig vorantreiben: 50 Kilometer neue Radstrecke will der rot-grüne Senat jährlich schaffen und bis 2020 ganze 280 Kilometer Velorouten. 2016 waren es 45 Kilometer.

„Mit modernen Radwegen, in deren Umfeld sich alle verkehrskonform verhalten, wollen wir gute Radler generieren“, sagt Tjarks. Dass die schmalen, auf die Straße gequetschten Velorouten gefährlich sind, hat allerdings der jüngste Fahrrad-Klimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) gezeigt: In der Befragung von 2.244 Radlern, die Schulnoten von eins bis sechs vergaben, bekam das Befahren von Radwegen und -schutzstreifen eine 4,7, die Akzeptanz im Verkehr eine 4,4, Dispute mit KFZ eine 4,9.

Doch das sind laut Tjarks, der am Mittwoch gemeinsam mit Lars Pochnicht, dem Radverkehrsexperten der SPD-Fraktion bilanzierte, Gefühlsduseleien: „Wenn man jahrzehntelang dazu erzogen wurde, auf Bürgersteigen zu fahren, muss man sich erstmal umgewöhnen“, sagt Pochnicht. Das klingt nach Volkserziehung und genau jener Bevormundung, die die CDU dem rot-grünen Senat gern vorwirft.

Die fehlenden 1,50 Meter Überholabstand neben den Velorouten bestätigt dabei sogar Sabine Darjus, Vorsitzende des Hamburger Fahrlehrerverbands. Ein sicheres Befahren der Radstreifen sei oft nicht möglich, sagt sie. Auch Tjarks räumt ein. „Um den Überholabstand zu gewährleisten, müsste man den Autoverkehr in bestimmten Straßen komplett stoppen. So weit sind wir noch nicht.“

Und während Uwe Jancke, Vorstand des Bündnisses Mobil ohne Auto und Veranstalter der diesjährigen Fahrradsternfahrt, die Radwegpolitlik lobt, fordert Johanna Drescher vom ADFC: „Wir brauchen bis zu drei Meter breite Radwege, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit sowie ein höheres Budget für Radverkehr über die derzeit 30 Millionen Euro hinaus.“

Doch es hakt nicht nur am Geld. Denn obwohl laut Tjarks Fahrradstraßen „die sicherste Variante überhaupt“ sind, existieren sie bislang nur da, wo es den Autoverkehr nicht stört: im beschaulichen Harvestehuder Alstervorland sowie am ruhigen Eppendorfer Leinpfad. Um die Route um die Alster zu schließen, stünde nun die belebte am Hotel Atlantic an, wofür der Autoverkehr massiv eingeschränkt werden müsste. Das wurde erstmal verschoben.

Den Vorwurf, der Senat betreibe bloße Kosmetik, lässt Tjarks trotzdem nicht gelten: „In den Leinpfad haben wir 1,6 Millionen Euro investiert. Das kann also gar keine Kosmetik sein.“

1 Jun 2017

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Petra Schellen
Gernot Knödler

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