taz.de -- Rechte Anschlagserie in Neukölln: Feiern statt schweigen

Ein Jahr dauert die Serie rechtsextremer Straftaten in Neukölln nun an. Dem will ein breites Bündnis nun mit einem Fest etwas entgegensetzen.
Bild: Neukölln ist das Zentrum der Anschlagserie – doch auch anderswo schlugen die Täter*innen zu

Neukölln will feiern – und zwar aus einem traurigen Anlass. Am Montag jährt sich der versuchte Brandanschlag auf einen queeren Neuköllner Wagenplatz zum ersten Mal. Die Tat gilt als der Auftakt einer Serie rechtsextremer Angriffe, die bis heute andauert. Betroffen sind vor allem Personen oder Geschäfte, die sich gegen Rechts engagieren. Die Antwort der Neuköllner*innen auf die Einschüchterungsversuche: [1][ein dreitägiges Festival im Juli].

„Wir sollen zum Schweigen gebracht werden“, sagt Sebastian Engelhardt, Sprecher des Bündnis Neukölln, einem Zusammenschluss aus Neuköllner Initiativen, Privatpersonen, Organisationen und Geschäftsleuten. „Wir sollen Angst bekommen, uns für Offenheit und Vielfalt zu engagieren. Das lassen wir uns nicht gefallen.“

Dass Neukölln so reagiert, ist angesichts der rechten Einschüchterungsversuche nicht selbstverständlich. Die [2][Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR)] zählt 45 Fälle, die sie der Tatserie zurechnet – einige davon auch in Kreuzberg, Schöneberg [3][und im Wedding]: zwölf Brandanschläge, zwölf Stein- oder Flaschenwürfe und 21 gezielte Bedrohungen, bei denen der volle Name der angefeindeten Personen in teils meterlangen Schriftzügen an Haus- und Flurwände geschmiert wurde.

Letzter Anschlag Anfang Mai

Ende Januar hat die Berliner Polizei eine eigene Sondereinsatzgruppe des Landeskriminalamtes für diese Serie eingesetzt: „Resin“, kurz für „Rechtsextreme Straftaten in Neukölln“. Der letzte Brandanschlag auf ein Auto Anfang Mai habe eine Frau getroffen, die sich schon lange gegen Rechts engagiere, aber nie öffentlich mit ihrem Namen aufgetreten sei, sagt Matthias Müller von der MBR.

Verunsicherung wäre eine nur zu verständliche Reaktion. Denn betroffen sind eben nicht nur öffentlich auftretende Aktivist*innen. Die Rechten wissen, wer sich gegen ihr Weltbild stellt – egal ob in der ersten Reihe oder im Hintergrund. Damit ist der Kreis potenzieller Opfer groß.

Neukölln entscheidet sich für den anderen Weg: „Vom Landwehrkanal bis Rudow, vom Hermannplatz bis zur Hufeisensiedlung – überall sollen unsere Aktionstage sichtbar werden“, so das Bündnis. Vom 14. bis 16. Juli wolle man gemeinsam mit Initiativen, Vereinen, Kneipen und Cafés feiern, diskutieren und einander kennenlernen. „Lasst uns gemeinsam ein klares Zeichen setzen: Neukölln ist offen, Neukölln ist vielfältig.“

12 May 2017

LINKS

[1] https://buendnis-neukoelln.de/2017/05/12/rechter-terror-in-neukoelln/
[2] https://www.mbr-berlin.de/
[3] /Rechte-Anschlagsserie-in-Berlin/!5379925/

AUTOREN

Dinah Riese

TAGS

Berlin-Neukölln
Rechtsextremismus
Rechte Szene
Schwerpunkt Neonazis
Anschläge
Berlin-Neukölln
Schwerpunkt Rechter Terror
Berlin-Neukölln
Schwerpunkt Neonazis
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus
Berlin-Neukölln

ARTIKEL ZUM THEMA

Anne Helm über Anschläge in Neukölln: „Wir brauchen Ermittlungserfolge“

Im Kampf gegen den rechten Terror in Neukölln muss die Polizei Vertrauen zurückgewinnen, sagt die Linkspartei-Abgeordnete Anne Helm.

Rechte Anschlagsserie: Polizei entdeckt Neonazis in Neukölln

Bei der Aufklärung der Anschläge gibt es erste Erfolge: Gegen mindestens zwei Personen aus der rechten Szene wird wegen Brandstiftung ermittelt.

Demo in Neukölln: Gegen den rechten Terror

Nach den Brandanschlägen auf Autos in Rudow und Britz zeigen rund 300 Menschen bei einer Kundgebung Solidarität. Durchsuchungen der Polizei.

Aktionswoche gegen rechte Gewalt: Neuköllner Zusammenhalt

Kundgebungen und Infoveranstaltungen: Eine Aktionswoche gegen rechte Gewalt startet am Dienstag in Neukölln.

Rechte Anschlagsserie in Berlin: „Rote Drecksau“

Die Attacken gegen linke Institutionen und Aktivisten reißen nicht ab. Ausbleibende Ermittlungserfolge könnten die Täter ermutigen.

Brandanschläge in Neukölln: Linke erneut attackiert

In der Nacht zu Montag wurden in Neukölln erneut Brandanschläge auf zwei Autos verübt. Sie gehören Menschen, die sich im Bezirk gegen rechts engagieren.

Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Der Staatsschutz ermittelt

Erneut wird Neukölln von einer offenbar rechtsmotivierten Serie von Angriffen heimgesucht. Auch Privatadressen Linker sind Ziele.