taz.de -- Brandanschläge in Neukölln: Linke erneut attackiert

In der Nacht zu Montag wurden in Neukölln erneut Brandanschläge auf zwei Autos verübt. Sie gehören Menschen, die sich im Bezirk gegen rechts engagieren.
Bild: Neuköllner Neonazis sind offenbar wieder aktiver

Die Serie mutmaßlich rechtsextremer Anschläge in Neukölln geht weiter. In der Nacht zu Montag wurden im südlichen Teil des Bezirks zwei Autos angezündet. Dass Neonazis die Brandstiftungen begangen haben, liegt nahe: In einem Fall traf es den Inhaber der Rudower Buchhandlung Leporello, auf die bereits im Dezember ein Anschlag verübt wurde, nachdem sie sich an einer Veranstaltungsreihe Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus beteiligt hatte. Das zweite Auto gehört einem Neuköllner Gewerkschaftsaktivisten, der sich auch am Protest gegen Rechtsextreme beteiligt. Der polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Erst am letzten Donnerstag hatte in Britz eine Kundgebung gegen rechtsextreme Gewalt stattgefunden, an der sich auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) beteiligte. Es sei wichtig, den Menschen vor Ort zu vermitteln, dass sie im Kampf gegen rechts nicht allein seien, sagte Geisel am Montag im Innenausschuss.

Südneukölln war jahrelang ein Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten in Berlin. 2011 kam es zu besonders vielen Angriffen, in der Folge gründeten sich zahlreiche Gegeninitiativen. Zuletzt war es ruhiger geworden um die Neuköllner Neonazis, ab 2013 verlagerte sich der Fokus rechtsextremer Aktivitäten auf andere Bezirke, allen voran Marzahn-Hellersdorf.

Seit letztem Jahr ist es vorbei mit der Ruhe: Im September veröffentlichten Neonazis eine Karte linker Einrichtungen im Bezirk, Mitte Dezember gab es dann in einer Nacht Anschläge auf ein linkes Café, die Buchhandlung Leporello sowie eine linke WG. Kurz vor Weihnachten folgte ein weiterer Anschlag auf die Wohnung eines linken Aktivisten, wenige Tage später wurden an sechs Wohnhäusern Schmierereien mit den Namen dort lebender Linker entdeckt. Am letzten Wochenende brannte das Auto einer Neuköllner SPD-Politikerin.

Das Wiederaufflammen rechtsextremer Gewalt könnte auch mit einer Personalie zusammenhängen: Seit Mai letzten Jahres ist der ehemalige Neuköllner NPD-Vorsitzende Sebastian Thom wieder auf freiem Fuß, nachdem er seit September 2014 fast durchgehend Haftstrafen wegen verschiedener Straftaten abgebüßt hatte.

Als Reaktion auf die Anschlagswelle hatten laut einem Text auf der linken Internetplattform Indymedia etwa 50 linke Aktivisten am letzten Freitag den Wohnort Thoms in Rudow besucht und in der Gegend Flyer verteilt, auf denen vor dem Neonazi Thom gewarnt wird. Außerdem sei sein Wohnhaus „markiert“ worden, heißt es in dem Text.

Was Demonstrationen und Kundgebungen angehe, habe das klassische neonazistische Spektrum seine zentrale Rolle eingebüßt, sagt Kilian Behrens vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz). Er vermutet aber, dass genau darin ein Grund für die gestiegenen Angriffszahlen liegen könnte: „Das entsprechende Personenpotenzial ist in Neukölln nach wie vor vorhanden, der Aktivismus hat sich nun offenbar auf Bedrohungen und Angriffe verlegt“.

23 Jan 2017

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Malene Gürgen

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