taz.de -- Demo gegen rechts: Ein Bezirk steht zusammen
Rechte Anschläge in Neukölln sollen die einschüchtern, die sich gegen Neonazis engagieren. Das Gegenteil passiert: Samstag gibt es eine Kundgebung.
Die Serie mutmaßlich rechtsextremer Anschläge in Neukölln reißt nicht ab – die Gegenwehr aus der Zivilgesellschaft aber ebenso wenig. Für diesen Samstag ist unter dem Motto „Neukölln bleibt bunt – wider den rechten Terror“ erneut eine Kundgebung geplant, zu der unter anderem die Ortsverbände der SPD, Linkspartei und der Grünen, verschiedene Gewerkschaften sowie antifaschistische Neuköllner Bündnisse aufrufen.
In Rudow, wo die Kundgebung stattfinden soll, wohnen die Opfer des letzten Angriffs in der aktuellen Anschlagsserie: Das Auto von Claudia und Christian von Gélieu brannte hier in der Nacht zu Donnerstag vergangener Woche komplett aus. Die beiden sind Mitglieder in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und außerdem im Leitungsteam der linken Galerie Olga Benario in der Neuköllner Richardstraße. Erneut hat es damit Menschen getroffen, die sich im Bezirk gegen rechts engagieren – offenbar soll so eine Drohkulisse gegen antifaschistisch aktive NeuköllnerInnen aufgebaut werden.
Diese wollen sich aber nicht einschüchtern lassen: Stattdessen wird momentan die Kampagne „Kein Ort für Nazis“ neu aufgelegt, die Ende 2009 in Reaktion auf eine damalige Anschlagswelle gegründet worden war und mit deren Kaktus-Logo bis heute viele Läden und Einrichtungen in Neukölln ihre Position deutlich machen. Nach ersten Planungen soll am 25. März eine große Demonstration gegen rechts stattfinden, der eine Aktionswoche zum Thema vorausgehen soll.
„Die Solidarität im Bezirk ist sehr groß, das hören wir immer wieder von den Betroffenen“, sagt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Auch direkt aus der Nachbarschaft würden die Opfer der Anschläge viel Rückendeckung erhalten. „Das offensichtliche Ziel der Nazis, die Bevölkerung zu spalten, wird bisher nicht erreicht“, sagt Klose.
Währenddessen gibt es erste Kritik an der Ermittlungsarbeit der Polizei: Diese konzentriere sich in ihren Fragen bisher stark auf die politischen Aktivitäten der Opfer selbst, sagt ein Betroffener, der anonym bleiben möchte. „Es entsteht der Eindruck, als ob die Polizei die Ermittlungen nutzen möchte, um Wissen über linke Aktivitäten abzugreifen“, sagt er.
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese schreckliche Serie zu beenden“, sagt hingegen Polizeisprecher Winfried Wenzel. Ende Januar wurde dafür beim Landeskriminalamt die Soko Resin (Rechtsextremistische Straftaten in Neukölln) gegründet, die aus fünf Ermittlern besteht. Außerdem soll zum 1. März die am Abschnitt 56 in Südneukölln angesiedelte und aus zwei Personen bestehende Ermittlungsgruppe REX wieder eingeführt werden. 2007 gegründet, hatte diese ihre Arbeit im Sommer 2016 eingestellt, weil sich die „Bedrohungslage zu diesem Zeitpunkt deutlich verbessert hatte“, sagt Wenzel.
Auch an dieser Einschätzung gibt es Kritik: Im Register Neukölln, das rechtsextreme Vorfälle sammelt, finden sich auch für das erste Halbjahr 2016 fast täglich Einträge. Viele davon sind Propagandadelikte, aber auch körperliche Angriffe sowie zwei Brandanschläge auf Autos sind darunter.
„Ich hoffe sehr, dass es endlich erste Ermittlungserfolge gibt“, sagt Bianca Klose. Wenn die Täter nicht gestoppt würden, könnten sie ihr Aktionsfeld bald auf ganz Berlin ausweiten. Dass die letzte Welle rechtsextremer Denunziationsschmierereien neben Neukölln auch den Wedding betroffen habe, sieht sie als erstes Anzeichen dafür. „Wir haben es hier nicht mehr nur mit einem Kiezproblem zu tun – deshalb dürfen die Kieze damit auch nicht alleingelassen werden“, appelliert sie.
17 Feb 2017
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