taz.de -- Neues „SZ“-Familienmagazin: Alles schick

Die „Süddeutsche Zeitung“ macht ein Heft für Eltern und Kinder. Das muss man sich leisten können. Und es transportiert ein exklusives Familienbild.
Bild: Wimmelig und wuselig muss ein Kindermagazin sein

Der Bahnhofskiosk – unendliche Weiten: Knapp 1.600 Publikumszeitschriften schwappen regelmäßig in die Regale. In loser Folge und streng nach dem Zufallsprinzip stößt das taz-Medienressort in Parallelwelten vor, die manche menschliche Wesen regelmäßig aufsuchen, auf der Suche nach genau der Zeitschrift, die ihrem Leben den ganz speziellen Sinn gibt. Heute: „SZ Familie“ – zwei Hefte in einem: eins für Erwachsene und eins für Kinder zwischen 4 und 11 Jahren.

Wie schaut’s aus? Schick. Dickes, mattes Papier, liegt gut in der Hand und fasst sich geschmeidig an. Das Elternheft ist aufgeräumt, viel Weißraum, wenig Schnickschnack, mehr illustriert als mit Fotos bebildert. Was schön ist, weil einen so nicht von jeder Seite die klassische „Hohes C“-Familie anstrahlt. Das Kinderheft sieht aus, wie ein Kinderheft aussehen soll: bunt, wuselig, viele Zeichnungen und Tierfotos, keine Werbung.

Einziges Manko in beiden: Abgebildet sind fast ausschließlich weiße, wohlgeratene Kinder. Die Carlottas und Finn-Arthurs dieser Welt.

Was steht drin? Das Elternheft rangiert zwischen familienpolitischem Magazin und Ratgeber. Weniger hip als Nido, nicht so bieder und pädagogisch wie Eltern. Am stärksten ist das Magazin, wenn deutlich wird, dass es aus der SZ-Redaktion stammt: bei den anspruchsvollen Geschichten. Ein Text beleuchtet das konservative Familienbild der AfD, an anderer Stelle erzählen Paartherapeuten, woran Beziehungen zerbrechen, wenn Kinder dazukommen. Star-Geiger und Leistungssportler berichten, wie früh sie ihre Kinder fördern (sehr früh). Das liest sich alles schön weg, transportiert aber immer auch ein exklusives Familienbild.

Nichtweiße Familien, Arme, Alleinerziehende oder homosexuelle Paare mit Kind kommen fast nur als interessante Exoten vor, nicht als Normalität. Eine Bilderstrecke zeigt schicke Küchen, die wohl nicht in eine 2,5-Zimmer-Wohnung passen, und eine Kindergärtnerin gibt Praxistipps für Matschwetter: Regenstiefel für 95 Euro, Regenjacke für 160 Euro, eine Lupe für 25 Euro. Was die Kleinen eben so brauchen.

Das Kinderheft macht Spaß: Bastelbögen, Aufkleber, Rätsel und Spiele, dazu Texte zur Bundestagswahl und zur Zukunft des Fahrrads. Und analoge Mythen für Smartphone-Kinder: Was macht man eigentlich in einer Telefonzelle? Ein Punktesystem auf jeder Seite zeigt Eltern an, für welche Altersgruppe die Seite gedacht ist.

Wer liest es? Die Eltern von Carlotta und Finn-Arthur. Und natürlich Carlotta und Finn-Arthur, wenn die Internetverbindung im Zug mal wieder zu langsam ist.

Wer macht es? Ein kleines Team der Süddeutschen Zeitung. Alle Mitwirkenden haben zusammen über 30 Kinder, die Tipps und Wünsche für das Kinderheft abgegeben haben.

Warum kauft man es (k)ein zweites Mal? Das Kioskregal mit den Familien- und Kinderzeitschriften ist ja schon jetzt ziemlich voll. Dazu kommen Spiegel, Zeit und Co., die mit Erziehungs- und Bildungstiteln immer wieder Auflage machen. Kein leichtes Umfeld also. Zusätzlich ist die Zielgruppe von SZ Familie besonders spitz: Eltern, die laut Verlag „gut ausgebildet, beruflich erfolgreich, finanziell gut gestellt“ sind, „Meinungsführer“, die überdurchschnittlich viel Zeit in das Familienleben und die Freizeit investieren. Geht das überhaupt zusammen? Wenn ja, dann dürfte der Preis von 7,90 Euro pro Doppelheft nicht stören. Denn – Kaufargument – die Kinder sind damit eine ganze Weile beschäftigt.

27 Apr 2017

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Anne Fromm

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