taz.de -- Auf der Wahlparty von Mélenchon: Alles Faschisten

Bei der Frankreich-Wahl muss der Linke Jean-Luc Mélenchon eine Niederlage einstecken. Seine Anhänger geben sich unbeugsam.
Bild: Trotzige Parolen auf der Wahlparty von Jean-Luc Mélenchon

Paris taz | Es ist 19.27 Uhr, als Jean-Luc Mélenchon an diesem Sonntagabend im Café Belushi’s, in der Rue Dunkerque im Norden von Paris, zu seiner Wahlparty eintrifft. Die Anwesenden, die sämtlichst einen Anstecker tragen, der sie als geladene Gäste und Wahlhelfer ausweist, applaudieren und skandieren: „Résistance, Résistance“ – Widerstand, Widerstand! Und: „La France insoumise, hela oleh, la France insoumise, hela oleh!“ – Unbeugsames Frankreich!

Eine Traube von Journalisten, die Melenchon umringt, schiebt sich an der Bar vorbei in Richtung eines abgetrennten Raums in der ersten Etage. Wer ungünstig steht, wird unsanft an den Tresen gedrückt. „Das ist ein historischer Moment“, flüstert eine russische Journalistin, die für die Prawda arbeitet. Marine Le Pen und François Fillon hätten von Russlands Präsident Wladimir Putin Geld bekommen. Nicht aber Mélenchon, da gebe es kein kompromittierendes Material.

Ein junger Mann ordert ein Bier. Ounei Dojima ist 33 Jahre alt, Musiker und derzeit arbeitslos. Er habe sich als Wahlhelfer für Mélenchons Kampagne engagiert und Informationsmaterial verteilt. „Mélenchon hat eine Vision für die Gesellschaft. Sein Programm ist schlüssig. Ich hoffe sehr, dass er in die zweite Runde kommt“, sagt er.

Um 20 Uhr, kurz nach Schließung der Wahllokale in den Großstädten, geht ein Stöhnen durch den Saal. Mit 19 Prozent liegt Mélenchon gleichauf mit Francois Fillon, aber deutlich hinter Marine Le Pen und Emmanuel Macron. „Ich habe es befürchtet“, sagt ein Journalist, der für mehrere Sender arbeitet.

Applaus für die Zukunft

„Es ist gruselig. Jetzt haben wir zwei Faschisten in der Stichwahl. Einen Wirtschaftsfaschisten und eine normale Faschistin.“ Er bittet den Kellner um einen Roten, denn: „Jetzt sehe ich rot.“

Die Hartgesottenen hoffen immer noch. Als eine Fernsehmoderatorin von Mélenchons erfolgreicher Kampagne spricht und anerkennend feststellt, dass der ehemalige Trotzkist das traditionelle Parteiensystem erschüttert habe, brandet wieder Applaus auf.

Méziane Azaiche versucht, sich nicht die Laune verderben zu lassen. Er ist Direktor des Kabarett Sauvage in Paris, das, wie er erzählt, Mélenchon oft besucht habe. „Ich bin wirklich enttäuscht, denn ich hatte so viele Hoffnungen in Mélenchon gesetzt und geglaubt, er würde es in die zweite Runde schaffen. Aber das französische Volk hat entschieden“, sagt er. Dennoch müsse man versuchen, dem Ganzen auch etwas Positives abzugewinnen. „Wir haben auch gewonnen. Es ist eine neue Grundlage geschaffen worden, auf der wir aufbauen können“, sagt er.

Niederlage, oder?

So positiv kann Karine Monségu das Ergebnis nicht sehen. Sie ist eine von den 50 Unterzeichnern, die seinerzeit den Startschuss für „La France insoumise“ gaben und will im kommenden Juni für die Bewegung bei der Parlamentswahl antreten. „Ich bin angewidert. Macron ist der Kandidat der Reichen. Er ist eine Mikrobe, eine Krankheit für Frankreich“, sagt sie und schüttelt sich. Die Presse habe versucht, Mélenchon fertig zu machen, eine richtige Gehirnwäsche sei das gewesen. Bei der Stichwahl werde sie, sagt Monségu, Mélenchons Namen auf den Stimmzettel schreiben.

Mélenchon, der Gewinner des Trostpreises an diesem Abend, tritt erst um 22 Uhr vor die Presse. Er räumt nicht sofort seine Niederlage ein. Sollte das Ergebnis jedoch bestätigt werden, rufe er die 450.000 Personen, die seine Kandidatur unterstützt hätten, dazu auf, im zweiten Wahlgang ihre Stimme abzugeben. Auf eine Wahlempfehlung verzichtet er. Jeder kenne seine Aufgabe. „Wir können stolz auf das sein, was wir erreicht haben“, sagt Mélenchon.

Dann bekommt wieder die Presse ihr Fett weg: „Die Journaille und die Oligarchen, die angesichts des bevorstehenden Duells zwischen Macron und Le Pen in Jubel ausbrechen“. Zum Schluss seiner kurzen Rede wird er noch einmal pathetisch: „Ihr seid ein ganz neuer Morgen, der anbricht, getreu dem Leitmotiv der Republik: Liberté, Egalité, Fraternité!“ Der Vorhang fällt, zumindest für heute.

24 Apr 2017

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Barbara Oertel

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