taz.de -- Regenwald in Brasilien: Die Zerstörung geht weiter

Der Regenwald ist wieder in Gefahr. Zunehmende Rodungen, ein gekürzter Umweltetat und die skrupellose Agrarlobby setzen ihm zu.
Bild: Die Zerstörung des Amazonaswaldes beschleunigt sich seit 2014 rapide, nachdem die Abholzungsrate jahrelang sank

Rio de Janeiro taz | Schwere Zeiten für den brasilianischen Amazonaswald. Die Wirtschaftskrise und die zunehmende Macht der Agrarlobby weichen die ohnehin labilen Schutzmechanismen in der Region auf. Umweltschützer warnen vor neuem Holzeinschlag und schnellerem Klimawandel.

Brasilien spart und kürzt deshalb den Etat des Umweltministeriums um 51 Prozent – deutlich schärfer als die weltweit kritisierte Kappung der Mittel für die US-Umweltschutzbehörde um 31 Prozent, die Donald Trump verfügte. Die Kürzung im Umweltetat sei notwendig, um das riesige Haushaltsloch zu stopfen, argumentiert Brasilien. Die dem Ministerium unterstellte Ibama-Behörde kontrolliert die Einhaltung von Umweltrichtlinien und ist jetzt schon an der Grenze ihrer Kapazität.

Ökologen reagieren mit Kopfschütteln, denn die Zerstörung des Amazonaswaldes beschleunigt sich seit 2014 rapide, nachdem die Abholzungsrate jahrelang sank. Der jüngste Bericht des brasilianischen Weltrauminstituts INPE kalkulierte für Mitte 2016 eine Steigerungsrate von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Ein wichtiger Grund für den zunehmenden Holzeinschlag ist, dass die Regierung signalisiert, dass sie die illegale Naturzerstörung tolerieren werde“, kommentiert Cristiane Mazzetti von Greenpeace.

Umweltminister José Sarney Filho gibt zu, dass die Abholzung auf eine Schwächung der Kontrollinstanzen zurückzuführen ist. Doch trotz seiner Etatkürzung sagt er für 2017 einen Rückgang der Entwaldung voraus, allerdings ohne stichhaltige Begründung. Zumal Filho kein Freund der Ibama-Kontrolleure ist: Zuletzt kritisierte er Anfang April die Schließung von zwei Schlachtbetrieben des weltgrößten Rindfleischproduzenten JBS durch die Umweltbehörde. Ibama warf ihnen vor, Zehntausende Rinder im Bundesstaat Pará von illegal abgeholztem Weideland gekauft zu haben, was in Brasilien seit 2009 verboten ist. Kurz zuvor war JBS bereits wegen seiner Verwicklung in den Gammelfleischskandal in die Schlagzeilen geraten.

Agralobby hebelt unliebsame Gesetze aus

INPE errechnete, dass 65 Prozent der 2014 abgeholzten Fläche in Weideland verwandelt wurde. Die in Brasilien als Amazônia Legal definierte Waldregion umfasst über 5 Millionen Quadratkilometer, etwas über 60 Prozent des Landesterritoriums. Ein Drittel des Tropenwaldes, der 2.500 Baumarten und 30.000 Pflanzenarten beherbergt, liegt in den Nachbarländern.

Mehr noch als die Sparmaßnahmen macht die parteiübergreifende Agrarlobby im Kongress dem Amazonaswald zu schaffen. Seit dem Rechtsruck nach der umstrittenen Regierungsübernahme von Präsident Michel Temer Mitte 2016 höhlen die Lobbyisten, die mehr als zwei Fünftel des Parlaments stellen, die unliebsamen Gesetze und Richtlinien aus. In Kongresskommissionen werden gerade mehrere Dekrete debattiert. Eines davon soll die Vergabe von Land neu regeln.

Nach Meinung von Parlamentspräsident Rodrigo Maia werde damit allen, kleinen wie großen Landbesitzern, zu mehr Rechtssicherheit verholfen, da ein großer Teil den Bauern formal keine Besitztitel hat. Für die Kritiker dient das Dekret hingegen vor allem der Legalisierung von illegal erworbenen Ländereien. „Ziel ist die unrechtmäßige Aneignung von öffentlichem Land, unter anderem von Gebieten, die bis vor Kurzem unter Naturschutz standen“, kritisiert die Wissenschaftlerin Juliana de Paula Batista vom Instituto Socioambiental.

Ein weiteres Dekret soll Naturschutzgebiete im Bundesstaat Pará verkleinern, um sie wirtschaftliche zu nutzen. Die Regierung argumentiert, dass damit die Gesetzeslage an die Realität angepasst werde, da bereits viele Menschen in dem Schutzgebiet arbeiten. Das Forschungsinstitut Imazon errechnete, dass die Verkleinerung des Jamanxim-Nationalparks die Entwaldung in der Region um rund 50 Prozent steigert.

19 Apr 2017

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Andreas Behn

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