taz.de -- Türkisches Referendum: Opposition berichtet von Schikanen

Nach der Stimmabgabe zeigt sich Erdoğan siegessicher. Oppositionelle Wahlbeobachter werden nach eigenen Angaben durch die Polizei in ihrer Arbeit behindert.
Bild: Etwa noch eine Stimme für „Hayir“?

Istanbul dpa/ap | Beim Referendum in der Türkei werden Wahlbeobachter der Opposition nach Darstellung der pro-kurdischen HDP durch die Polizei in ihrer Arbeit behindert. Der HDP-Abgeordnete Ziya Pir sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag per Telefon aus einem Wahllokal in der Kurdenmetropole Diyarbakir, Polizisten führten Wahlbeobachter seiner Partei und der größten Oppositionspartei CHP ab. Hintergrund sei, dass auf Wahlbeobachter-Karten der Betroffenen der Name beziehungsweise das Symbol ihrer jeweiligen Partei abgebildet sei. Die Polizisten argumentierten, dass die Verwendung von Parteisymbolen in Wahllokalen am Wahltag nicht gestattet sei.

Entsprechende Vorfälle würden auch aus anderen Wahllokalen in der Kurdenregion im Südosten der Türkei gemeldet, sagte Pir. „Die gehen gezielt gegen die HDP und die CHP vor, also gegen das „Nein“-Lager. Die suchen Gründe, damit wir an den Wahlurnen keine Beobachter haben.“ Die CHP und die HDP stellen die einzigen flächendeckenden Wahlbeobachter des Lagers, das gegen das Präsidialsystem von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan ist.

Pir sagte weiter: „Überall in den Wahllokalen sind auf allen Etagen Polizisten, die da gar nicht sein dürften. Die durchsuchen Taschen nach Wahlbeobachter-Kärtchen. Auf den Karten von der CHP ist deren Parteiemblem, auf unseren ist vorne ein Stempel von der HDP. Die Polizisten nehmen die Beobachter mit auf die Wache, um ein Protokoll aufzunehmen. Die werden danach wieder freigelassen, aber das kann Stunden dauern. Solange ist niemand von der HDP und der CHP an den Urnen.“ Die Parteien bemühten sich jetzt, die Karten zu ändern.

Pir sagte: „Das Gesetz besagt, dass man offen keine Parteizeichen tragen darf. Aber die Karten sind ja in den Taschen. Das war in der Vergangenheit immer so, da hat sich nie einer drum gekümmert.“

Ministerpräsident will jedes Ergebnis akzeptieren

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht bei der historischen Volksabstimmung zur Einführung eines Präsidialsystems von dem „erwarteten“ Ergebnis – einer Zustimmung – aus. „Ich glaube an den demokratischen Menschenverstand meiner Nation“, sagte er nach seiner Stimmabgabe in Istanbul.

„Wir haben schon andere Volksabstimmungen gehabt. Aber bei diesem Referendum geht es um ein neues Regierungssystem für die türkische Republik, es ist eine Wahl für Veränderung und Transformation“, sagte er weiter. Das Volk müsse eine Entscheidung treffen, die „über das Gewöhnliche hinausgeht“.

Ministerpräsident Binali Yildirim versprach nach seiner Stimmabgabe, jedes Ergebnis zu akzeptieren. „Was immer das Ergebnis ist, wir werden es hoch achten“, sagte er vor jubelnden Anhängern vor dem Wahllokal in der westlichen Provinz Izmir, in dem er abgestimmt hatte. „Die Entscheidung unserer Nation ist die schönste Entscheidung.“ Die Menge rief: „Die Türkei ist stolz auf Sie!“

Yildirim hat in den vergangenen Monaten die „Ja“-Kampagne von Präsident Recep Tayyib Erdoğan unterstützt. Die Einführung des von Erdogan favorisierten Präsidialsystems würde alle exekutive Macht beim Präsidenten bündeln.

Außenminister Mevlüt Cavusoglu kritisierte bei seiner Stimmabgabe angebliche Einmischungsversuche. Einige „aus dem Ausland“ hätten versucht, „der türkischen Nation zu sagen, was sie tun soll“, sagte er. „Sie haben Partei ergriffen, aber heute gehört die Entscheidung unserer Nation“.

Cavusoglu sagte nicht konkret, von wo nach seiner Ansicht ausländische Einflussnahmen versucht wurden. Vor der Abstimmung hatte es erhebliche Spannungen mit der EU und deren Länder mit großem türkischen Bevölkerungsanteil gegeben, insbesondere Deutschland und die Niederlande.

16 Apr 2017

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