taz.de -- Türkisches Referendum: Erste Wahllokale schließen

Im Osten der Türkei ist die Stimmabgabe für das Referendum bereits schon wieder beendet. Vor einem Abstimmungslokal soll es Tote gegeben haben.
Bild: Sie warten auf ein „Evet“ oder „Hayir“ der Stimmberechtigten: Wahlhelfer in Istanbul

Istanbul ap/dpa | Im Osten der Türkei ist die Stimmabgabe für das Referendum über die Einführung eines Präsidialsystem bereits beendet. In 32 Provinzen schlossen die Wahllokale um 15.00 Uhr (MESZ), wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. In den östlichen Provinzen hatten die Wahllokale bereits um 06.00 (MESZ) geöffnet, im Westen eine Stunde später. In der Westtürkei kann dementsprechend noch bis 16.00 (MESZ) abgestimmt werden.

Insgesamt waren in der Türkei 55,3 Millionen Wahlberechtigte zur Teilnahme an der Volksabstimmung aufgerufen. Im Ausland waren zusätzlich 2,9 Millionen Türken zur Wahl zugelassen, dort wurde bereits abgestimmt.

Ergebnisse werden am Sonntagabend erwartet. Wann feststeht, welches Lager eine Mehrheit der Stimmen erzielt hat, hängt davon ab, wie knapp das Ergebnis ausfällt. Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Das Präsidialsystem würde Erdogan deutlich mehr Macht verleihen. Die Opposition warnt vor einer Ein-Mann-Herrschaft.

Drei Menschen sterben vor Wahllokal

Während der Stimmabgabe zum Referendum soll es zu einer tödlichen Auseinandersetzung gekommen sein. Vor einem Abstimmungslokal in einem Dorf in der Provinz Diyarbakir gerieten zwei Familien in einen Streit, der schließlich in Gewalt ausartete, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Dabei wurden drei Menschen getötet. Zwei Personen seien festgenommen worden.

Zum Grund des tödlichen Streits gab es widersprüchliche Angaben. Anadolu meldete, möglicherweise sei es um Landbesitz gegangen. Die private Nachrichtenagentur Dogan berichtete von politischen Meinungsverschiedenheiten. In der Provinz Diyarbakir, wo viele Kurden leben, ist es in den vergangenen Monaten immer zu Anschlägen gekommen.

Linken-Wahlbeobachter beklagt Behinderungen

Der Europarats-Wahlbeobachter und Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko hat Behinderungen durch die Polizei beim Referendum im Südosten der Türkei beklagt. In der Kurdenmetropole Diyarbakir seien ihm und seinem Teamkollegen am Sonntag zwei Stunden lang der Zutritt zu Wahllokalen verwehrt worden, sagte Hunko der Deutschen Presse-Agentur per Telefon. Erst nach einer Intervention des Europarates hätten die Beobachter Zutritt bekommen.

In der Stadt Mardin seien sie nach Schließung der Wahllokale im Osten zunächst von der Polizei daran gehindert worden, die Auszählung der Stimmen zu beobachten, sagte Hunko. Später sei die Teilnahme zwar zugelassen worden, den Beginn des Auszählungsprozesses hätten die Beobachter verpasst. Hunko sprach von einer „unangenehmen Atmosphäre“, der sein Team ausgesetzt gewesen sei.

Hunko gehört zu einer 23-köpfigen Delegation, die die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) zur Beobachtung des Referendums in die Türkei entsandt hat. Auf Einladung der türkischen Regierung sind außerdem 40 internationale Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Einsatz. Beide Organisationen wollen an diesem Montag in Ankara einen vorläufigen Bericht über ihre Beobachtungen vorstellen.

16 Apr 2017

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