taz.de -- Zukunft von Volkswagen: Morgen grün, heute profitabel dreckig

2025 will VW Öko-Vorreiter sein. Heute produziert der Konzern Milliardengewinne und Autos, die selbst nach Rückruf Grenzwerte knacken.
Bild: Noch ist alles sauber: Endabnahme eines Tiguan in Wolfsburg

Berlin taz | Nach zwei Stunden Pressekonferenz verrutschten dem Vorstandschef die Dimensionen: Die Grenzwerte für CO2 würden ab 2021 „auf 95 Prozent sinken“, sagte der VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller am Dienstag in Wolfsburg. Gemeint waren natürlich 95 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer, der EU-Grenzwert für den Klimakiller Kohlendioxid. 95 Prozent der jetzigen Abgase wäre leicht zu machen und kein Grund für einen radikalen Umbau des Geschäftsmodells, wie ihn Müller propagiert.

Der Versprecher zeigt: Mit der „Abgasproblematik“ tut sich der größte deutsche Konzern mit weltweit 620.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 217 Milliarden Euro immer noch schwer. Der Dieselbetrug habe die Bilanz 2015 und 2016 mit insgesamt 22 Milliarden belastet. Auch für 2017 erwarte man daraus „zweistellige“ Milliardenkosten, hieß es auf der jährlichen Pressekonferenz. Bei den Abgaswerten erreiche man, „was gesetzlich vorgeschrieben ist“. Entschädigungen für Kunden außerhalb der USA lehnt VW weiterhin ab: „Es gibt keine finanziellen Schäden für die Kunden“, erklärte der Vorstand.

Lieber blicken die Wolfsburger nach vorn: Die „Mammutaufgabe“ des Konzernumbaus sei auf dem richtigen Weg, sagte Müller. Das Unternehmen machte 2016 – vor Abzug der Belastung aus dem Dieselskandal – einen Profit von 14,6 Milliarden und eine Rendite von 6,7 Prozent. Während bei der Kernmarke VW die Rendite weiter auf 1,8 Prozent gesunken ist, machen die VW-Töchter Audi und Skoda mit 8 bis 9 Prozent gute Gewinne. Sensationell wieder das Ergebnis der Tochter Porsche: 17 Prozent Rendite und 3,8 Milliarden Gewinn.

VW macht 1,8 Prozent Rendite, Porsche 17 Prozent

Das Geld werde für die Zukunft auch gebraucht, meinte Müller. Er wiederholte seine Vorstellung von einem Unternehmen, das bis 2025 einer der weltgrößten Autobauer bleibe, aber „weltweit die Nummer Eins bei der Elektromobilität“ werde. VW solle stark in das automatische Fahren und in „Mobilitätsdienstleistungen“ einsteigen und die „weltgrößte Flotte fahrerloser Kfz“ bereitstellen.

Bei der Batterien, dem Herz der Elektroautos, strebe man „bis 2025 die Technologieführerschaft bei Feststoffbatterien an“, hieß es. Bisher hinkt der Konzern bei der Batterietechnik den asiatischen Herstellern hinterher. VW solle ein „Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität sein“, so Müller.

Noch ist es damit nicht weit her – das zeigen neue Messungen der Deutschen Umwelthilfe. Bei einem Test auf der Straße seien an einem VW Golf Diesel mehr als das Dreifache der auf dem Rollenprüfstand zulässigen Stickoxidwerte gemessen worden, erklärte der Umweltverband am Dienstag. Die Software sei von VW nachgerüstet worden, stoße aber bei Tests auf der Straße 600 Gramm statt der beim Rollentest erlaubten 180 Gramm NOx aus.

Die DUH klagt deshalb gegen die Regelung des Kraftfahrbundesamts für das Nachrüsten. Verkehrsminister Alexander Dobrindt akzeptiere eine „weitgehend unwirksame Placebo-Maßnahme“, kritisierte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Das Verkehrsministerium erklärte, man kenne die DUH-Studie nicht. Gesetzlich vorgeschrieben seien aber bislang noch die Rollentests, keine Testfahrten auf der Straße.

14 Mar 2017

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Dieselskandal
Volkswagen
Deutsche Umwelthilfe
BMW
E-Autos
Dieselskandal
Automobilbranche
Lesestück Recherche und Reportage
Automobilindustrie

ARTIKEL ZUM THEMA

Dieselverbote in München und anderswo: Ignoranz ist nicht mehr

Nun auch in München: Die EU macht möglich, was die Deutschen nicht schaffen – gesundheitsgefährliche Diesel aus den Städten zu verbannen.

Daimler errichtet neue Fabrik: E-Auto-Batterien made in Sachsen

Die Batteriezellen importiert der Konzern aus Asien. Doch Daimler baut eine neue Fabrik für Energiespeicher von Elektroautos in Kamenz.

Angst vor gesetzlichen Fahrverboten: Diesel wird zum Ladenhüter

Dieselgate? Stickoxide? Diesel-Pkw wurden trotzdem immer gekauft. Nun aber drohen Fahrverbote in Städten – die Zulassungen brechen ein.

Ignoranz der Autobauer für China: Elektrisch? Och nö

China ist für die Autobranche der größte Markt. Doch die Regierungspläne für mehr Elektroautos sorgen für Widerstand.

Gescheiterte Aufklärung des VW-Skandals: Die Autokratie

Diese Woche enden die Befragungen im VW-Untersuchungsauschuss. Entscheidende Fragen wurden dort erst gar nicht gestellt.

Reformprogramm bei Volkswagen: Streit um „Zukunftspaket“ beigelegt

In den vergangenen Wochen gab es mal wieder Zoff bei Volkswagen. Betriebsrat und Management haben sich nun über offene Fragen geeinigt.